Schwäbische Zeitung: Das Geschacher muss enden – Ein Kommentar rund um die Verhandlungen zur großen Koalition

Wüsste es der geneigte Beobachter nicht besser,
der Verdacht läge nahe, dass es sich bei Frank-Walter Steinmeier um
einen der besten Therapeuten Berlins handelt. Auch am Donnerstagabend
traten wieder drei angeschlagene Menschen, die ihre Probleme alleine
nicht lösen können, den Gang ins Schloss Bellevue an. Eine Große
Koalition möchte Steinmeier schmieden, um Neuwahlen zu verhindern.
Das Problem an der Sache: Es wäre ein Bündnis der Gebeutelten.

Da wäre zunächst die durch das miserable Wahlergebnis und die
wenig überzeugend moderierte Jamaika-Sondierung geschwächte
CDU-Chefin Angela Merkel. An ihrer Seite steht der durch den internen
CSU-Machtkampf geschwächte Horst Seehofer, der sich im
Glyphosat-Streit klar aufseiten seines Parteifreundes Christian
Schmidt positioniert hat. Eine echte Union sieht anders aus. Zu allem
Überfluss muss dann auch noch Martin Schulz, der von Fortune und
Wähler im Stich gelassene SPD-Chef, dazu gebracht werden, über seinen
Schatten zu springen.

Dennoch ist es ein Glück, dass sich Steinmeier eingeschaltet hat.
Das Treffen verleiht dem kläglichen Regierungsfindungsversuch
zumindest ein bisschen Würde. Die präsidiale Initiative ist das
Gegenprogramm zum von den Parteien angezettelten Kleinkrieg um
Positionen und Gegenpositionen: Der eine setzt Glyphosat durch, der
andere verlangt daraufhin das gesetzliche Rückkehrrecht von Teil- auf
Vollzeit. Ein haarsträubendes Geschacher. Wer Politikverdrossenheit
befördern will, sollte exakt so agieren.

Dass sich die Jamaika-Gespräche hinzogen, war irgendwie
einzusehen. Schließlich wurde um Inhalte gerungen. Sollte das
neuerliche Festzurren der Großen Koalition ebenso lange dauern, wäre
es blamabel. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Partner, die aktuell
gemeinsam regieren, ewig sondieren, um mit Achtungserfolgen eigene
Schwäche zu kaschieren. Volksvertreter, daran hat Steinmeier das Trio
hoffentlich erinnert, sollten uneigennützig agieren. Geht es nur um
Wahlkampfgetöse, können gleich Neuwahlen ausgerufen werden.

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