Schwäbische Zeitung: Das Programm heißt Merkel – Leitartikel

In Deutschland kommen die Spendierhosen wieder
groß in Mode. FDP-Vize Christian Linder hat mit dieser Erkenntnis
recht. Doch großzügige Versprechen kurz vor Wahlen sind die Wähler
bereits gewohnt – sie werden mit der Mode umgehen können.

Klar ist: Die Wirtschaftskrise wird auch in Deutschland in den
nächsten Monaten noch stärkere Spuren hinterlassen, und so werden
einige Wahlversprechen auf der Strecke bleiben. Die Union selbst hat
ihr Programm unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt. Ob und wann
das Kindergeld erhöht wird, steht in den Sternen. Bei anderen Punkten
wie der Mütterrente wird es sich die Union allerdings kaum noch
einmal erlauben können, die sechs Millionen betroffenen Frauen zu
vertrösten. Geschickterweise will sie dieses Versprechen jetzt aus
der Rentenkasse bezahlen. Eine Art der Finanzierung, welche die FDP
mit dem richtigen Hinweis auf die Leistungsbezogenheit der Renten
bisher ablehnte. Dem Koalitionspartner FPD wird noch einiges andere
missfallen.

Durch Merkels praktische Art, auf Strömungen zu reagieren, hat die
Union jetzt aber auch von der Mietpreisbremse bis zum Mindestlohn
einige Forderungen im Programm, auf welche die SPD das Urheberrecht
hat. Denn die Kanzlerin agiert, so wie sie ohnehin regiert:
pragmatisch. CSU-Chef Horst Seehofer hat das Kalkül ohnehin immer nah
am Wahlvolk. Und so viel Einigkeit wie heute war zwischen den
Schwesterparteien selten.

Bei der Union ist es genau umgekehrt wie bei der SPD. Die war
schon immer eine Programmpartei und setzt jetzt, voller Verzweiflung
über ihren Spitzenkandidaten, erst recht auf ihr Programm. Die Union
dagegen ist seit jeher eine Kanzlerpartei und verlässt sich im
beginnenden Wahlkampf mehr denn je auf die Kanzlerin, die die
Bundesrepublik Deutschland stabil durch die Krise geführt hat. Nicht
von ungefähr nennt die Union ihr Wahlprogramm bereits
Regierungsprogramm. Diese Zuversicht scheint derzeit durchaus
berechtigt.

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