Seit dem gescheiterten Putschversuch in der
Türkei haben mehr als 50000 Menschen ihren Job verloren, sind
beurlaubt worden, wurden mit einer Ausreisesperre belegt oder gleich
inhaftiert. Die Härte, mit der Präsident Recep Tayyip Erdogan
vorgeht, macht deutlich, dass dieser die Türkei radikal umgestalten
will. Die Menschenrechte spielen nicht mehr die Rolle, die sie in
einem Land innehaben müssten, das der Europäischen Union beitreten
möchte. Ob überhaupt noch von einem Rechtsstaat gesprochen werden
kann, sei dahingestellt.
Eine Diskussion darüber muss zwingend geführt werden – auf
internationaler wie nationaler Ebene. Denn die Polarisierung zwischen
Erdogan-Anhängern und seinen Gegnern schwappt immer mehr auch nach
Deutschland. Aleviten und Kurden ängstigen sich mittlerweile nicht
nur in der Türkei um ihre Sicherheit. Die türkische Gemeinde ist eben
keine homogene Einheit, sondern der Hass zwischen den verschiedenen
Gruppen eskaliert auch hier.
Deutschland ist eine säkulare Republik, in der der Staat über der
Religion steht. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt des hiesigen
Staatsverständnisses. Die Türkei entsendet seit Jahrzehnten Imame zur
Seelsorge der muslimischen Gläubigen nach Deutschland. Sie sprechen
in der Regel kein Deutsch, und das Freitagsgebet wird in der Türkei
vorformuliert. Dort setzt die regierende AKP alles daran, den
politischen Islam in öffentlichen Ämtern durchzusetzen. Es wäre naiv
zu glauben, dass die türkisch-islamische Union Ditib, die einen
Großteil der Moscheen in Deutschland vertritt, ein anderes
politisches Verständnis als die AKP hätte.
Diesen und anderen türkischen Gruppen muss klar gemacht werden,
dass sie in Deutschland auf dem Boden des Grundgesetzes zu agieren
haben. Doch schon die Aufgeregtheiten innerhalb der türkischen
Gemeinde nach der Armenienresolution des Bundestags haben gezeigt,
dass darüber nicht die notwendige Klarheit herrscht. Es wäre
fahrlässig für das Gemeinwesen in Deutschland, diese dramatischen
Entwicklungen zu ignorieren.
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