Schwäbische Zeitung: Die Bahn ist am Zug – Leitartikel

Zunächst einmal: Die baden-württembergischen
Spitzenpolitiker – gleich welcher Couleur – haben gestern wohltuend
unaufgeregt reagiert. Das 15-seitige Papier, das da aus irgendeiner
Schublade des Bundesverkehrsministeriums aufgetaucht ist und zunächst
für gewaltigen Wirbel gesorgt hat, dürfte in der Tat nicht der Stoff
sein, von dem Wohl und Wehe des Großprojekts Stuttgart 21 abhängt.
Ressortchef Peter Ramsauer spricht von „Einzelmeinungen aus der
untersten Ebene meines Ministeriums“. Der grüne Ministerpräsident
Winfried Kretschmann will keine neue Ausstiegsdebatte eröffnen, die
SPD möchte das sowieso nicht, und die CDU erkennt den Versuch von
Panikmache. Also alles in Butter? Nein, natürlich nicht. Im Prinzip
lauern zwei konkrete Gefahren und eine abstrakte. Gefahr Nummer eins:
Falls sich die Politik angesichts des Finanzierungswirrwarrs
mehrheitlich zu einem „Augen zu und durch“ entschließen sollte, hätte
das ungute Folgen. Die Zeiten haben sich geändert, die Bürger würden
sich in großer Zahl mit Grausen abwenden von denen, die da – gefühlt
– über ihre Köpfe hinweg nach Belieben Geld ausgeben oder gar
versenken. Gefahr Nummer zwei liegt quasi im Gegenteil von „Augen zu
und durch“. Das wäre ein endloser Streit ums Kleinklein, ein
zermübendes Einerseits und Andererseits, ein hinhaltendes Taktieren.
So etwas lähmt bereits mittelfristig die Kraft zur Entscheidung. Und
es ermüdet die Bürger. Schließlich die abstrakte Gefahr: Je länger
die Ungewissheiten andauern, umso schwieriger wird es werden, in der
Zukunft neue Großprojekte anzupacken und durchzusetzen. Nicht die
Machbarkeit, sondern die Unmachbarkeit wird dann als Normalität
empfunden. Die Deutsche Bahn – daran kann kein Zweifel bestehen – hat
seit dem Volksentscheid zu Stuttgart 21 viel an Vertrauen eingebüßt.
Sie ist der wichtigste Projektpartner, sie muss auch als der
kompetenteste wirken. Es liegt vor allem an der Bahn, den zahlreicher
werdenden Bedenkenträgern mit belastbaren Argumenten zu begegnen.

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