Schwäbische Zeitung: Die Krise ist nicht medial – Leitartikel

Die „Bild“ gegen Wulff, Wulff gegen die „Bild“.
Medienhetze, Medienkampagne, das sind Stichworte der Affäre um den
Bundespräsidenten. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, als
hätten sich alle verschworen, als werde eine Art ununterbrochener
Hetzjagd gegen den Bundespräsidenten betrieben mit immer denselben
Vorwürfen. Da wird sogar die Frage gestellt, ob ausgerechnet die
„Bild“-Zeitung über den deutschen Präsidenten entscheidet oder nicht.

Nein, die „Bild“-Zeitung entscheidet nicht – und andere Zeitungen
auch nicht. Denn Medien können aufbauschen und übertreiben, sie
können wiederholen und damit Gefahr laufen, den einen oder anderen
Leser zu langweilen, aber sie können nur das berichten, was sich
zugetragen hat, das, was sie recherchiert haben. Und das ist einiges.
Im Fall Wulff scheint nun alles auf dem Tisch zu liegen, vieles davon
ist nicht schön. Wäre die schwarz-gelbe Koalition nicht in einem so
beispiellosen Tief, wäre nicht Horst Köhler bereits zurückgetreten,
so gäbe es Christian Wulff wohl kaum noch in seinem Amt.

Doch da mag die SPD noch so scheinheilig versprechen, bei der
Nachfolger-Suche behilflich zu sein, klar ist doch: Wenn Wulff geht,
wird das Auseinanderbrechen von Schwarz-Gelb wahrscheinlicher. Denn
Angela Merkel könnte sich nicht mehr auf die eigene äußerst knappe
Mehrheit verlassen, sondern müsste die Opposition beteiligen. Die
wiederum würde es sich kaum entgehen lassen, auf der Schwäche der
Regierung herumzureiten. Das aber würde weitere Unruhe in die FDP
tragen, die in einer tiefen, existenzbedrohenden Krise steckt. Und
immer misstrauischer wird – auch gegenüber dem Koalitionspartner. Mit
Recht, denn dieser hat sich im Saarland nicht nur sehr unfreundlich
gezeigt, sondern überdies vorgemacht, wie schnell man Koalitionen
beenden kann.

Bürgerliche Maßstäbe rücken in den Hintergrund, wenn es um Macht
geht. Aber auch hier sind es nicht die Medien, die dies verantworten.

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