Schwäbische Zeitung: Die Länder müssen reden – Leitartikel

Stellen Sie sich einmal vor, Sie unterstützen
Ihren armen Verwandten mit 100 Euro – und treffen ihn tags darauf im
teuersten Restaurant am Platz. So ungefähr fühlen sich die reichen
Bundesländer. Natürlich ist es fair, wenn sie in den Finanzausgleich
einzahlen und arme Länder unterstützen. Wenn dann aber – wie passiert
– Berlin als Erstes seine Kindergärten gebührenfrei macht, während
andere dafür mit ihren Haushalten knapsen, dann kommt massiver Ärger
auf. Und wenn jetzt sogar im ersten Halbjahr Berlin
Haushalts-Überschüsse hat und Baden-Württemberg ein Defizit, trägt
das auch nicht zur Solidarität bei. Klar, dass sich etwas ändern
muss.

Aber wie? Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried
Kretschmann, dessen Land zum reichen Trio gehört, setzt auf eine
Neuordnung per Verhandlung der Länder untereinander. Die anderen
beiden Geberländer, Bayern und Hessen, auf Neuordnung per Klage.
Vermutlich wird nun beides Hand in Hand gehen. Das ist gut, denn so
wie jetzt kann es nicht weitergehen.

Zum einen muss dringend über Länderfusionen geredet werden.
Spätestens, wenn ab 2020 keine neuen Schulden mehr gemacht werden
dürfen, wird es ganz ernst für Länder wie Schleswig-Holstein oder das
Saarland, die ihre Haushalte aus eigener Kraft nicht mehr stemmen
können. Und zweitens muss das Ausgleichssystem dringend reformiert
werden. Zusätzliche Anstrengungen müssen sich lohnen. Für Geber- und
auch für Nehmerländer.

Drittens müssen die Änderungen möglichst bald in Angriff genommen
werden. Denn die Chancen, frühzeitig zu einem guten Kompromiss für
2020 zu finden, sind ungleich höher als jene, 2019 noch schnell etwas
zusammenzuschmieden. Bislang allerdings hat sich in solch schwierigen
Verhandlungen von Bund und Ländern immer wieder gezeigt, dass nur
unter Druck und nur in letzter Minute ein Kompromiss erzielt wurde.
Dieser ist dann aber – siehe Föderalismuskommission II mit dem
Kooperationsverbot in Sachen Bildung – nicht zwingend der beste.

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