Schwäbische Zeitung: Die Lage ist verzwickt – Leitartikel

Weihnachtlicher Besuch in Afghanistan:
Verteidigungsminister Thomas de Maizière schaut nach seinen Soldaten.
Dies gehört sich so. Gleichzeitig verkündet er die frohe Botschaft,
dass das Einsatzgebiet der Bundeswehr sicherer geworden sei. Den
Deutschen soll vermittelt werden, dass sich das teure und auch
verlustreiche Engagement doch auszahlt. So weit, so gut. Stutzig
macht einen aber die Rechnung der UN. Landesweit gesehen zählt sie
eine Gewaltzunahme im Vergleich zum Vorjahr. Ein Fünftel mehr
Vorfälle habe es gegeben.

Die UN-Zählung widerspricht nicht automatisch der Aussage de
Maizières. Es scheint nur so zu sein, dass deutsche und amerikanische
Anstrengungen im Bundeswehrsektor die aufständischen Gruppen in ihre
Schranken gewiesen haben. Vermutlich ist Altbekanntes geschehen.
Taliban und Co. sind dem Druck ausgewichen. Sie haben ihre
Anstrengungen woandershin verlagert. Eventuell verhalten sich die
Kämpfer aber auch aus taktischen Gründen ruhiger. Sie wissen
inzwischen, dass der internationale Militäreinsatz zeitlich begrenzt
ist. Die Anwesenheit der Soldaten ließe sich also aussitzen, um nach
dem Abzug für die Fortsetzung des seit 1978 andauernden Bürgerkrieges
bereit zu sein.

Für Landeskenner kommt diese blutige Zukunft so sicher wie der
Gebetsruf des Muezzins. Klar ist jedoch auch, dass kein deutscher
Regierungsvertreter eine solch schlechte Prognose abgeben kann. Sie
würde einen raschen Abbruch des Einsatzes nahelegen – mit fatalen
Folgen für die Bündnisfähigkeit Deutschlands. Unser Land stünde als
unsicherer Kantonist da. Weshalb der Einsatz bis zum bitteren Ende
gehen wird. De Maizière hat die Aufgabe, seine Soldaten bei der
Stange zu halten. Für diese Aufgabe ist Afghanistan aber nicht die
einzige Front, denn daheim drohen ihm gleichzeitig die Rekruten
abhandenzukommen. Eine Lücke tut sich vor allem bei den untersten
Dienstgraden auf. Tückisch, weil gerade für solch intensive Einsätze
wie am Hindukusch eben auch Gefreite nötig sind.

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