Schwäbische Zeitung: Die meisten werden bleiben

Das Problem beginnt mit der Semantik: Menschen,
die aus Kriegsgebieten geflohen sind und auf oft verschlungenen Wegen
Deutschland erreicht haben, sind keine Flüchtlinge mehr. Ihre Flucht
ist zu Ende, sie sind hier angekommen. Das ist nur vordergründig
Haarspalterei. Denn beim Begriff Flüchtling schwingt mit, dass sich
all die Schwierigkeiten, die mit der Aufnahme und Versorgung so
vieler vertriebener Menschen ergeben, irgendwie wieder verflüchtigen.
Am besten von selbst und sehr schnell.

Wer diese Hoffnung hegt, unterliegt einem fatalen Irrtum.
Deutschland und andere EU-Länder werden auf viele Jahre hinaus mit
dem Thema befasst und gefordert sein. Es wäre deshalb ehrlicher und
klarer, von Zuwanderern, noch besser: von Einwanderern zu sprechen.
Denn das Gros dieser Menschen wird bleiben wollen und bleiben können,
weil es auf nicht absehbare Zeit nicht in den Bürgerkrieg oder den
Terror zurückkehren kann. Der Asylkompromiss, dem auch die grün-rote
Landesregierung von Baden-Württemberg zugestimmt hat, trägt dem
indirekt Rechnung. Die deutsche Politik und Gesellschaft wären
vielfach überfordert, würden sie das halb geöffnete Tor ganz öffnen.
Menschen aus Nicht-EU-Ländern, die – wenn auch aus verständlichen
Gründen – überwiegend vom Wohlstand angezogen werden, können kein
Asylrecht beanspruchen. Und Menschen, die es bis hierher geschafft
haben, können kein Asylrecht erzwingen, auch nicht durch
Erpressungsversuche wie den Hungerstreik in München.

Aber noch einmal: Die meisten werden aus guten Gründen bleiben
können. Und deshalb wirkt eine Nachricht wie die, dass Geld aus einem
Topf für Fluthilfeschäden in die Finanzierung der Einwanderung
fließen soll, eher befremdlich als beruhigend. Das ist jetzt wieder
vom Tisch. Es stimmt schon: Akut aufgetretene Finanzlücken müssen
auch mal notfallmäßig geschlossen werden. Aber ein nachhaltiges
Programm wäre das gewiss nicht gewesen. Viele Milliarden sind
erforderlich. Besser, man sagt das den Menschen klipp und klar und
rechtzeitig.

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