Offenbar gehört Christian Wulff zu jener
Politiker-Sorte, die Probleme mit der Bodenhaftung haben. Ein
günstiger Privatkredite, von einem Unternehmerhaushalt gönnerhaft
genehmigt? Kein Problem. Ein fast geschenkter Bankkredit? Normal.
Ferien in Villen von Wirtschaftsgrößen? Man gönnt sich ja sonst
nichts. Im Flieger ein kostenloser Wechsel von der Holz- in die
Luxusklasse? Kann jedem mal passieren. Als VIP sowieso, scheint
Wulffs Gefühlslage zu sein.
Der Otto-Normal-Bürger staunt – vor allem im Hinblick auf eigene
Erfahrungen. Die Sparkasse langt beim Kredit kräftig zu, Freunde
haben selber kein Geld. Beim Ferienflug kann es einen schon auf den
Notsitz verschlagen. Man lebt trotzdem. Deshalb stellt sich in der
Affäre Wulff auch nicht die Neidfrage. Es geht um etwas anderes, um
Abgehobenheit.
Wulff hat es geschafft, sich vom größten Teil der Deutschen zu
entfernen. Der Versuchung erlag er bereits als niedersächsischer
Ministerpräsident. Wulff verdrängte wohl, dass er Vertreter aller
Bürger sein sollte und nicht nur Landeschef für eine Reichenclique.
Mit solchen Politikertypen können sich viele Menschen immer weniger
identifizieren. Dies macht Wulff und Co. letztlich zu einer Gefahr
für die Demokratie.
Das ungute Gefühl im Zusammenhang mit seiner Person wurde gestern
verstärkt. Seine persönliche Erklärung wäre nur akzeptabel gewesen,
wenn er Konsequenzen gezogen hätte. Aber nein, zwei Wochen nach dem
Aufkommen der Affäre entschuldigt er sich gerade mal für
Irritationen, die durch ihn verursacht worden seien. Wulff erweckt
den Eindruck, als sei alles nur ein Missverständnis, hervorgerufen
durch ungeschickte PR-Arbeit. Und als Bauernopfer geht sein
Pressesprecher. Unverfroren, aber wenig erstaunlich. Immerhin hat er
durch sein früheres Handeln gezeigt, dass ihm die Sensibilität dafür
fehlt, was als hoher Politiker statthaft ist oder nicht. Eigentlich
wäre Wulff jetzt als Präsident fällig. Frei von Amtspflichten könnte
er sich unbefangen mit Unternehmerfreunden abgeben.
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