Schwäbische Zeitung: Eine absurde Idee aus Bayern – Leitartikel

Wer kommt auf solche Ideen? Die CSU würde
Zuwanderer am liebsten dazu verpflichten, zu Hause in ihren Familien
deutsch zu reden.

Wie absurd dieser Vorschlag aus Bayern tatsächlich ist, macht ein
kurzes Gedankenspiel deutlich.

Man stelle sich vor, man selbst sei mit der eigenen Familie aus
Deutschland ausgewandert. Nach Schweden. Oder nach Spanien. Oder in
die Türkei. Weil man musste. Weil man wollte. Oder weil es sich halt
so ergab. Nun tun Eltern und Kinder gut daran, die Sprache des
Gastlandes, das vielleicht sogar das neue Heimatland werden soll, zu
erlernen. Nur so wird man im neuen gesellschaftlichen, schulischen
und beruflichen Umfeld Fuß fassen können. Abends sitzt die deutsche
Auswandererfamilie dann beisammen. Lacht und weint miteinander, ist
gemeinsam mal ernsthaft und mal albern, streitet und versöhnt sich
wieder. Wenn sie das auf deutsch tut, kommt ein Sprachwart und mahnt
die Familie, miteinander doch bitteschön schwedisch oder spanisch
oder türkisch zu sprechen. Absurd?

Absurd! Gerade innerhalb eines Familienverbunds geht nichts über
eine gemeinsame Sprache, in der sich Freude und Ärger, Bedrückung und
Innigkeit so präzise wie nur irgend möglich ausdrücken lassen. Einer
Familie ihre ureigene Sprache mit all ihren gewachsenen Nuancen per
Verordnung nehmen zu wollen: mit dieser Idee liegt die CSU voll
daneben. Der glücklicherweise spärliche Applaus für den instink- und
maßlosen Vorstoß kann deshalb auch nur von der ganz falschen Seite
kommen.

Soll Zuwanderung glücken, sollen Zuwanderer in Deutschland
tatsächlich ankommen, dann müssen sie die deutsche Sprache lernen.
Darin sind sich Politik, Wissenschaft und Gesellschaft doch längst
einig. Das Deutsche soll dabei aber zusätzlich erlernt werden, es
darf nicht die Muttersprachen der Menschen verdrängen. Niemand darf
von Zuwanderern verlangen, dass sie ihre Wurzeln verleugnen. Sonst
werden sie in Deutschland keine Wurzeln schlagen können.

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