Schwäbische Zeitung: Eine neue Qualität – Leitartikel

Formulieren wir es salopp: Für BND-Chef Gerhard
Schindler wird es ziemlich eng. Bundeskanzlerin Merkel, die dafür
bekannt ist, erst einmal in aller Nüchternheit und Ruhe die Dinge zu
betrachten, lässt wenige Stunden nach dem Bekanntwerden der neuesten
Spionage-Posse rund um die NSA ihren Regierungssprecher an die
Mikrofone, um der Forderung nach lückenloser und „unverzüglicher“
Aufklärung Nachdruck zu verleihen. Im Bundeskanzleramt, der
Aufsichtsinstanz für die Geheimdienste, sei man „entsetzt“, heißt es
in Berlin.

Schindler wird vieles sehr schnell und umfangreich erklären
müssen. Wieso war der BND im Inland aktiv, obwohl der Geheimdienst
für die internationale Spionageabwehr zuständig ist? Wieso
informierte der BND weder das Kanzleramt noch das Parlament? Warum
verschleierten BND-Mitarbeiter diese Aktionen vor dem
NSA-Untersuchungsausschuss? Hatte niemand Probleme, Informationen
über deutsche Politiker, Manager und Firmen an einen ausländischen
Dienst weiterzureichen? Schindler soll erst im März von den
Aktivitäten erfahren haben. Hat er seine Behörde überhaupt im Griff?

Die Beantwortung dieser Fragen ist interessant und es dürfte in
den kommenden Tagen in Berlin recht kurzweilig werden. Unabhängig von
der politischen Farbe fällt es schwer, das BND-Vorgehen in ein
Sammelsurium vermeintlicher Pflichtverletzungen einzuordnen. Es gibt
jedenfalls Abgeordnete der Opposition, die deutliche Worte wählen.
Sie sprechen von Landesverrat.

Und vielleicht sollten wir uns endlich vom Traum der
Freundschaften unter Staaten verabschieden. Die internationalen
Beziehungen sind interessengesteuert. Das erleben wir täglich auf
EU-Ebene, sei es bei der Griechenlandrettung oder der Bekämpfung des
Flüchtlingselends. Im Verhältnis zur USA geht es um Sicherheit und
wirtschaftliche Macht. Überraschen sollte das NSA-Vorgehen deshalb
niemanden. Dass sich die Bundesregierung offensichtlich nicht auf
ihre eigenen Dienste verlassen darf, ist aber eine neue Qualität und
nicht hinnehmbar.

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