Schwäbische Zeitung: Einige Minuten Ehrlichkeit – Kommentar

Thomas de Maizière hätte im Amt als Minister
der Verteidigung oft mal der Kragen platzen können: wegen der
Verbündeten, die immer nur nörgeln oder wegen der Ministerialen, die
immer nur mauern und vertuschen.

Aber er hat geschwiegen. Bis zum vergangenen Mittwoch, als er beim
Großen Zapfenstreich, seiner feierlichen Verabschiedung, viele der
Dinge sagte, die er als Verteidigungsminister viele Male gedacht
haben mag, aber nicht sagen konnte, weil das sein Amt und seine
Autorität beschädigt hätte. Welch eine Befreiung!

Die Person de Maizière eignet sich natürlich hervorragend für
entgegengesetzte Interpretationen ein und desselben Sachverhalts: Ist
er nun mit Freude oder mit Verdruss aus dem Bendlerblock aus- und ins
Innenministerium eingezogen? Nach seiner Rede wollten manche wissen,
der Preuße sei zornig gewesen, habe die Maske fallen lassen. Viel
wahrscheinlicher ist aber, dass er die wenigen Minuten zwischen dem
einen und dem anderen Posten sehr geschickt genutzt hat, um mal
ehrlich zu sagen, was ist.

Denn in seinem neuen Amt als Bundesinnenminister wird er wieder
lange Zeit nur einen Bruchteil dessen sagen können, was er gerne
sagen würde. Immerhin will der Mann, der hervorragend über die Kunst
des Schweigens philosophiert, ja irgendwann auch noch mal ins
Kanzleramt.

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