Schwäbische Zeitung: EM beschämt die Kritiker – Leitartikel

Heute Abend wird es ernst: Deutschland –
Griechenland, das politische Dauerduell nun auch sportlich
ausgetragen, mehr als ein Spiel. Mehr? Es ist wohltuend, wie
politische wie auch sportliche Verantwortungsträger den Dampf
herausgenommen haben. Fußball ist nicht die Fortsetzung der Politik
mit anderen Mitteln, sondern immer noch Massenereignis, hochbezahlte
Volksbelustigung, nur ein Spiel.

Im Vorfeld der Fußball-EM hatte es oft den Anschein, als sei der
Sport nur Beiwerk zu einer Demonstration osteuropäischer Unfähigkeit.
Die Straßen? Eine Katastrophe! Die Stadien? Werden nie und nimmer
fertig. Die Hooligans? Direkte Abkommen der Hunnen. Die Organisation?
Eine Katastrophe. Nun ist mehr als die Hälfte der EM vorüber. Alles
hat funktioniert. Von Katastrophe reden höchstens Menschen mit
orangefarbenem Trikot. Die favorisierten Niederländer sind für
Arroganz und Egoismen bestraft und punktlos heimgeschickt worden.
Auch die Russen büßten. Das Ausscheiden der Gastgeber Polen und
Ukraine ist schade für die Spiele, doch eine logische Folge ihrer
mangelnden Stärke. Die Art und Weise, wie diese beiden Länder das Aus
weggesteckt haben, die Ukraine zumal durch den Schiedsrichter krass
benachteiligt, kann nur den Hut ziehen lassen vor dem Sportgeist der
Gastgeber. Und was die Tatarenmeldungen vor der EM-Eröffnung angeht,
so muss man als Westeuropäer kleinlaut zugeben: alles nur Klischee.

Politisch-gesellschaftlich hat die Europameisterschaft mit dem
reibungslosen Ablauf der Vorrunde ihr Gesellenstück gemacht.
Sportlich aber ist noch viel Luft nach oben. Weder der Welt- und
Europameister Spanien noch unsere hochgelobte Nationalelf hat bislang
das Versprechen eines ideen- und torreichen Spielwirbels wahrmachen
können. Viel Sicherheit, viel Abwehrdenken, viel Gähn. Die positive
Allgemein-Halbzeitbilanz trübt dies nicht. Das einzig wirklich
Katastrophale kam von der Ostseeinsel Usedom – doch an der
ZDF-Fernsehinsel sind weder der Fußball noch Polen und die Ukraine
schuld.

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