Politik ohne Mitgefühl ist erbärmlich. Der
türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zeigt das gerade
anlässlich des Grubenunglücks in Soma. So wie ihn weder die Proteste
auf dem Taksim-Patz von Istanbul im vergangenen Jahr oder der
Aufschrei gegen das Twitter-Verbot vor wenigen Monaten beunruhigten,
so scheinen die wütenden Reaktionen auf seinen Auftritt in der
Kohlemine Soma, ihn zum Innehalten zu veranlassen.
In Soma, wo knapp 300 Kohlekumpel verbrannt, erstickt oder
verschüttet sind, referierte Erdogan, der Sohn eines armen Schusters,
über Bergwerksunglücke in anderen Weltgegenden und zu anderen Zeiten.
Dass solche Unglücksfälle vorkommen, ist eine Binsenweisheit, die man
nicht unbedingt vor laufenden Kameras und in Anwesenheit trauernder
Angehöriger von sich gibt. Aber dahinter steckt Strategie: Erdogan
hat keine Absicht, die türkische Gesellschaft, die durch ihr Wachstum
enormen Fliehkräften ausgesetzt ist, zu einen. Er will polarisieren
und sei es durch seine Art des Umgangs mit der Öffentlichkeit.
Protest stört einen Erdogan so wenig wie einen Putin der
innerrussische Unmut gegen seine Herrschaft. Erdogan werden
Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt. Der Politiker ohne
Mitgefühl will bleiben.
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