Das wurde auch Zeit. Ungefähr zur Halbzeit der 
Sondierungsverhandlungen rücken die Grünen von ersten 
Maximalforderungen ab. Im Gegenzug setzt auch die FDP auf mehr 
Realitätssinn in Sachen Steuern. Nur die CSU, genauer Horst Seehofer,
will es sich wegen des internen Machtkampfs nicht leisten, jetzt 
schon Gelände preiszugeben. Und von der CDU hört man ohnehin so gut 
wie gar nichts. Das hat Methode. Denn Angela Merkel moderiert und 
führt zusammen, will demonstrieren, dass es ihr um alle und alles 
geht. In der Hoffnung, dass der Erfolg am Ende dann wieder mit ihr 
heimgeht, so wie es bisher immer gelang.
   Die FDP führt sich derzeit am widerborstigsten auf, schon, damit 
man ihr glaubt, dass es ihr Ziel ja nicht war, unbedingt in der 
Regierung zu landen. Die Grünen haben es in der Runde am schwersten. 
Parteichef Cem Özdemir ist jetzt ein hohes Risiko eingegangen. Er 
nimmt die Jahreszahl 2030 für das Ende des Verbrennungsmotors aus den
Verhandlungen, die der Grünen-Parteitag doch so hart erkämpft hatte. 
Das wird vielen in seiner Partei nicht schmecken.
   Einen Vorteil allerdings hat das Vorgehen: Die Grünen entscheiden 
erst in zweieinhalb Wochen über die Aufnahme von 
Koalitionsverhandlungen. Da könnte diese Kröte schon halb verdaut 
sein, falls die Unterhändler Trost für die grüne Seele nachschieben 
können: Wenn einige Braunkohlemeiler stillgelegt werden, blaue 
Plaketten für umweltfreundliche Autos kommen oder ein Kontingent für 
Familiennachzügler beschlossen wird.
   Die Kompromisslinien sind eigentlich allen Verhandlern ungefähr 
klar. Deshalb nervt es nicht nur den FDP-Vize Wolfgang Kubicki, wie 
viel Zeit in vielen Runden vergeudet wird. Noch mehr allerdings 
warten Beobachter auf ein Signal, was denn nun die große Überschrift 
über einer Jamaika-Koalition sein soll. „Gute Kompromisse“ oder 
„Weiter so!“ wird nicht ausreichen, um zu überzeugen. Die vier 
Parteien müssen noch mindestens einen gemeinsamen Schwerpunkt finden 
– und wenn es ihnen noch so schwerfällt.
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