Schwäbische Zeitung: Fixierungen in Psychiatrie häufiger vermeiden – Ein Kommentar zu „Bundesverfassungsgericht prüft rechtliche Voraussetzungen für die Fixierung von Psychiatriepatienten“

Gegen den Willen gefesselt zu sein,
bewegungsunfähig und hilflos – ein schwererer Eingriff in die
persönliche Freiheit ist kaum vorstellbar. Deswegen ist es keine
Frage, dass eine solche Maßnahme nur in Ausnahmefällen und
selbstredend nur zeitlich eng begrenzt möglich ist. Darüber herrscht
Einigkeit.

Klar ist aber auch: Es gibt Situationen, bei denen Gefahr im
Verzug ist. Da ist es nicht möglich, erst auf die Entscheidung eines
Richters zu warten. Denkbar ist aber eine Lösung, bei der eine
richterliche Genehmigung zumindest nachträglich eingeholt werden muss
– schon um zu gewährleisten, dass auch ein Außenstehender beteiligt
ist, als Schutzmechanismus gegen vorschnelle Zwangsmaßnahmen.

Dabei ist grundsätzliches Misstrauen gegen das
Verantwortungsbewusstsein, mit dem Ärztinnen und Ärzte solch ethisch
heikle Entscheidungen treffen, nicht angebracht. Es gibt vorbildliche
Initiativen wie jenes Pilotprojekt in Sigmaringen, wo in der
geschlossenen Psychiatrie die Zahl der Zwangsmaßnahmen binnen eines
Jahres um 30 Prozent reduziert wurde – mit Kriseninterventions- und
Deeskalationstrainings für Mitarbeiter, und indem Patienten und
Angehörige gemeinsam mit dem medizinischen Personal entscheiden
dürfen, wie dem Einsatz von Zwangsmaßnahmen vorgebeugt werden könnte.

Das Beispiel ist lobenswert. Es zeigt aber auch, dass bei der
Vermeidung von Zwangsmaßnahmen grundsätzlich noch Luft nach oben ist.

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