Schwäbische Zeitung: Gefühlt, nicht erfahren – Leitartikel zu Kriminalitätsstatistik

Die Kriminalität in Deutschland ist
zurückgegangen. Nicht aber das Gefühl der Bedrohung. Wie kommt das?
Wer im Flugzeug sitzt, bangt oft mehr um sein Leben, als derjenige,
der Auto fährt. Völlig zu unrecht. Wer nachts allein im Zugabteil
sitzt, fürchtet sich mehr, als wenn er morgens um 9 Uhr alleine
fährt. Wer am Bahnhof oder auf dem Marktplatz nur arabische junge
Männer um sich hat, fühlt sich unwohler, als wenn er von älteren
Damen umgeben wäre.

Doch anstatt die eigenen Gefühle und Ängste rational zu
überprüfen, werden Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt und
Misstrauen geschürt. Die Kriminalstatistik stimme nicht, weil sie ja
nur die gemeldeten Fälle enthält, heißt es da. Das ist die gleiche
Logik wie die jener Menschen, die sagen, dass Angela Merkel ja noch
nicht einmal von einem Viertel der Deutschen gewählt wurde, weil doch
viele gar nicht zur Wahl gegangen sind.

Sicherlich wird nicht jede sexuelle Nötigung, nicht jede
Schlägerei angezeigt. Natürlich ist hier die Dunkelziffer hoch. Aber
was bitte, soll denn geändert werden? Soll sich die Polizei in jedes
Schlafzimmer stellen, soll sie jeden öffentlichen Platz bewachen?
Eine Kriminalstatistik kann nur das messen, was zur Anzeige gebracht
wird. Vielleicht gibt es hier oder da den Fall, dass etwas beschönigt
wird. Aber insgesamt haben die deutschen Behörden das Vertrauen
verdient, dass sie ihre Fälle exakt angeben. Sehr genau und
aussagekräftig dürften ohnehin zum Beispiel die Zahlen über Einbrüche
und Autodiebstähle sein, weil die Opfer dies in der Regel auch ihrer
Versicherung melden wollen.

Also kann man sich doch einfach einmal über die gute Nachricht
freuen, dass die Delikte zurückgegangen sind. Das heißt ja nicht,
dass für die Polizei nicht genug Arbeit übrig wäre. Im Gegenteil,
mehr Präsenz der Sicherheitskräfte kommt allen entgegen: Dem Gefühl
vieler Menschen ebenso wie der gezielten Vorbeugung von Kriminalität.

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