Am Nil werden Revolutionen gestohlen. Jene, die
Veränderung anstreben, gehen leer aus. Vor gut zwei Jahren
profitierte der Trittbrettfahrer Mohammed Mursi vom Aufstand gegen
Präsident Hosni Mubarak. Und jetzt wird vermutlich das ägyptische
Offizierskorps profitieren von der Revolte gegen Mursi. Der Islamist
wollte irgendwann einmal einen religiösen Staat, seinen mehrheitlich
armen Wählern machte er Versprechungen, die er nicht einhielt. Das
Militär hingegen möchte nur zu gern wieder an die Fleischtröge, aus
denen es sich unter Mubarak hatte bedienen können. So wichtig es
seinerzeit war, dass Mubarak ging, so unsicher und gefährlich scheint
heute die Zukunft des Kulturlandes Ägypten.
Gescheitert ist Mohammed Mursi an einer ägyptischen
Öffentlichkeit, die sich nicht mehr bevormunden lassen möchte. Mursi
und die Muslimbrüder hatten sich 2011 gar nicht am Aufstand gegen den
verhassten Diktator Mubarak beteiligt. Ängstlich hatten sie
abgewartet, bis der Pharao endlich vertrieben war. Bei den folgenden
Wahlen räumten die Religiösen ab, weil sie den Entrechteten eine
bessere Zukunft versprachen.
Die Geschichte im Mittleren Osten kennt solche von Religiösen
gestohlenen Revolutionen: Als etwa im Jahr 1979 im Iran der Schah von
Studenten, Bauern und Intellektuellen gestürzt wurde, kam ein Mullah,
der Ayatollah Khomeini, und deklarierte seine eigene, islamische
Revolution.
Die moralischen Sieger des Aufstandes in Ägypten sind und waren
bereits vor zwei Jahren jene Menschen, die zu Hunderttausenden auf
die Straßen zogen: Säkulare, verschleierte Frauen, Christen und
gläubige Muslime. Heute sind es gegen Mursi sogar mehr Demonstranten
als damals gegen Mubarak. Leider wird ihnen irgendwann wohl auch
diese Revolution gestohlen werden, von einem Militärapparat, dessen
in Jahren verfestigter Übermacht kein Politiker, kein Demonstrant und
kein Imam ernsthaft etwas entgegenzusetzen hat.
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