Wie viel Winfried Kretschmann steckt in den
Bundesgrünen? Anders gefragt: Sollen die Grünen den realpolitischen
Weg des Ministerpräsidenten aus dem Südwesten beschreiten, oder eher
linke Ziele verfolgen? Mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl
beschäftigt sich die Öko-Partei bereits heute mit dieser Frage.
Seitdem Kretschmann die Grünen zur stärksten Kraft im
baden-württembergischen Landtag geführt hat, ist er zu einem
politischen Schwergewicht auf Bundesebene aufgestiegen. Er ist nicht
mehr der knorrige Realo aus dem Südwesten, den 2011 außergewöhnliche
Umstände wie der Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 oder die
Atomkatastrophe in Fukushima an die Macht gespült haben. Seitdem sagt
Kretschmann seine Meinung klar und deutlich, ohne Rücksicht auf grüne
Fundi-Befindlichkeiten: sei es bei der Zustimmung zu den
Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer, sei es bei seiner
Ablehnung der Vermögenssteuer oder der Verschärfung der
Erbschaftssteuer. Zähneknirschend halten dabei sogar die meisten
Parteifreunde am linken Rand die Füße still – sogar der frühere
Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin schlägt leise Töne an.
Trotz der politischen Stärke Kretschmanns darf man aber eines
nicht vergessen: Auf Bundesebene sind die Grünen keine Volkspartei –
auch wenn es hierzulande manchmal den Anschein hat. Nur im Südwesten
ist Grün-Schwarz das Ideal der Wähler und Kretschmann dessen
Verkörperung. Deutschland jenseits der Grenzen Baden-Württembergs
tickt nicht so ökologisch-bürgerlich.
Aus machtpolitischen Kalkül dürfen sich die Grünen also auf keinen
Fall schon jetzt auf eine mögliche Koalition festlegen, auch wenn die
von Kretschmann mit so viel Verve in Spiel gebrachte
Schwarz-Grüne-Option so verlockend erscheint. Schließlich ist
bundesweit auch Rot-Rot-Grün eine Regierungsoption. Mit einer
Festlegung zum jetzigen Zeitpunkt würden die Grünen Teile ihrer
Wählerschaft verschrecken – und eine noch nie dagewesenen
Ausgangsposition verspielen.
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