Schwäbische Zeitung: Gut für die Marktwirtschaft – Leitartikel

Die Einigung im öffentlichen Dienst kommt
Deutschland teuer zu stehen. 6,5 Milliarden Euro kostet der
Tarifabschluss allein die Kommunen in den kommenden zwei Jahren.
Verdi hat ein Ergebnis erstritten, das weit über der Inflationsrate
liegt. Erstmals seit langem bleibt deutlich mehr im Portemonnaie der
Arbeitnehmer.

Streng genommen kann sich der klamme Staat diese Lohnsteigerung
nicht leisten. Trotzdem ist es gut, dass das Plus so hoch ausfällt.
Denn der Abschluss stärkt das Ansehen der Marktwirtschaft: weil
endlich auch Kindergärtnerinnen, Busfahrer und Bademeister vom
Wirtschaftswachstum profitieren.

Seit geraumer Zeit hat sich bei vielen Menschen die Meinung
verfestigt, dass unsere Wirtschaftsordnung vor allem den Reichen
nützt: Während „die da oben“ – gemeint sind Unternehmer, Manager und
Politiker – sich schamlos bedienten, bliebe „denen da unten“ immer
weniger. So undifferenziert und verzerrt diese Ansicht sein mag:
Tatsächlich ließen sich viele Deutsche in den letzten Jahren auf
schlechtere Arbeitsbedingungen ein. Sie nahmen kümmerliche
Lohnsteigerungen in Kauf, verzichteten auf Sozialleistungen,
arbeiteten nachts und am Wochenende. Die Wirtschaft steht auch
deshalb blendend da, weil die Arbeiter und Angestellten Einschnitte
so klaglos hingenommen haben.

Doch die demütige Unterordnung hat viele Menschen verbittert:
Inzwischen stellt die Hälfte der Deutschen die soziale
Marktwirtschaft in Frage. Klassenkämpferisches Gedankengut sickert
ins bürgerliche Lager ein, linke Pamphlete werden aus der Mottenkiste
hervorgeholt: Es ist schick, Reichensteuern und Umverteilung des
Vermögens zu fordern.

Lässt sich durch höhere Lohnabschlüsse der Ansehensverlust unserer
Wirtschaftsordnung aufhalten, so ist das Geld gut investiert. Das
sollten die Arbeitgeber beherzigen, wenn sie jetzt mit der IG Metall
verhandeln. Ein Linksruck, wie er unserem Nachbarn Frankreich
bevorsteht, ist weder im Interesse des Landes noch im Sinne
Wirtschaft.

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