Schwäbische Zeitung: Islamisten an den Taten messen – Leitartikel

Das ist schon verwirrend und auch bestürzend,
was an diesem Wochenende alles im Namen Allahs und des Islamismus
geschehen ist.

In Ägypten wird der Islamist Mohammed Mursi als Präsident
vereidigt. Gleichzeitig attackieren Islamisten in Kenia eine Kirche
und töten 16 Christen. Und in der sagenumwobenen Stadt Timbuktu in
Mali zerstören selbsternannte Islamisten eine Bibliothek und einen
Friedhof, auf dem jüdische Väter dieser Stadt am Rande der Sahara
beerdigt sind.

All das geschah zwar im Namen Allahs und des Islamismus, könnte
aber in der Motivation kaum verschiedener sein. Das Wort Islamismus
bedeutet erst einmal nur islamischer Fundamentalismus. Und es gibt
viele Spielarten dieses Islamismus, von den frauenverachtenden
Taliban in Afghanistan bis zu moderaten Politikern in Ägypten oder
Jordanien, die mit friedlichen Mitteln eine gottesfürchtigere
Gesellschaft schaffen wollen.

Dagegen sind die islamistischen Mörder in Kenia und die
Wüsten-Taliban von Timbuktu nichts anderes als Terroristen. Diese
Männer zu verfolgen und ihre sektiererischen Gruppen zu zerstören,
ist im Interesse aller.

Ein Islamist Mohammed Mursi im Präsidentenpalast in Kairo ist –
wie manche seiner Kollegen in Libyen und anderen Ländern, die eine
arabische Revolution erlebten – erst einmal ein gläubiger Politiker.
Um Erfolg zu haben auf dem Präsidentenposten, muss er den Kompromiss
suchen. Und er muss pragmatisch sein. Die Zwänge des Amtes haben noch
aus manchem Radikalen einen Moderaten gemacht.

Auch ein Islamist wie der türkische Ministerpräsidenten Recep
Erdogan ist heute ein vielerorts geschätzter Staatenlenker. Wir in
Europa sollten fromme Fundamentalisten im Amte an ihren Taten messen,
an ihrem Umgang mit Andersgläubigen, an ihrer Wirtschaftspolitik und
an ihrem Verhältnis zu Israel. Wenn nämlich Islamisten wie Erdogan in
Ankara und Mursi in Kairo erfolgreich und anerkannt sind, haben die
islamistischen Terroristen viel weniger Chancen.

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