Schwäbische Zeitung: Kleine Schritte auf weitem Weg – Leitartikel zu Koalitionsgipfel

Na also, es geht doch. Jeder rückt ein bisschen
von seinen Maximalvorstellungen ab, eine vernünftige Regelung wird
gefunden, und am Ende geht man einen weiteren kleinen Schritt auf dem
weiten Weg, der Flüchtlingskrise Herr zu werden. Es kam weniger CSU
heraus, als es sich der Parteichef gewünscht hätte, aber auf den
einen oder anderen Punkt wie die Residenzpflicht oder den
eingeschränkten Familiennachzug kann Seehofer hinweisen. Sigmar
Gabriel wiederum sagt staatsmännisch, dass die Bürger einen Anspruch
haben, dass man ordentlich umgeht mit dem Land und mit jenen, die
kommen.

Nun hat sich die Große Koalition in den letzten Tagen kein
Vertrauen erworben. Streitigkeiten und gegenseitige Vorwürfe waren an
der Tagesordnung. Das ist nicht das Niveau von Politik, das man sich
angesichts der Flüchtlingskrise wünscht. „Haben die in Berlin den
Schuss nicht gehört?“, fragten sich viele. Doch, sie haben. Im
letzten Moment haben sie gemerkt, dass Politik – auf diese Art
betrieben – nicht nur das Vertrauen der Menschen verliert, sondern
auch deren Hilfsbereitschaft gefährdet.

Die Einigung war folgerichtig. Zumal eine ordentliche
Registrierung der Flüchtlinge, ob nun in Transitzonen oder
Registrierzentren, selbstverständlich sein sollte. Und die
vereinbarten schnellen Verfahren für solche, deren Asylantrag kaum
eine Chance hat, senden auch das richtige Signal.

Genauso wichtig ist aber, dass die Zahl der Entscheider wächst,
sodass Asylanträge abschließend bearbeitet werden. Dass Flüchtlinge
nicht sechs Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen sitzen. Und dass sie
sehr schnell Deutsch lernen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen.

Angela Merkel hat mit den beschleunigten Verfahren das Signal
verstärkt, dass Deutschland nicht unbegrenzt aufnahmefähig ist, dass
der Staat sich die Kontrolle über die Krise zurückholt. Dass am Ende
entweder Deutschland oder Europa die Grenzen dichtmachen wird, hat
sie noch nicht gesagt. Aber kleine Schritte gehören zum Markenzeichen
Merkels.

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