Schwäbische Zeitung: Knackpunkt ist der Lohnausgleich – Ein Kommentar zu den aktuellen Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie

Die Macht der IG Metall ist gewachsen. Die
sogenannte Just-in-time-Produktion, das weitgehende Auflösen von
Lagern, hat die Unternehmen verwundbar gemacht. Das zeigen die nun
erstmals eingesetzten 24-Stunden-Streiks. Anders als bei
Urabstimmungen über Flächenstreiks müssen nur die
Gewerkschaftsmitglieder in den ausgewählten Betrieben ihre Zustimmung
geben. Und angesichts voller Auftragsbücher reichen die Folgen
solcher Warnstreiks schon fast an Flächenstreiks heran. Stehen die
Bänder bei einem Autobauer wie Daimler, müssen die Zulieferer ihre
Produktion drosseln, weil sie nicht ausliefern können. Streikt die
Belegschaft eines Zuliefers, können die Autobauer keine Autos mehr
bauen, weil die Teile fehlen.

Die IG Metall weiß um ihre Stärke. Beleg hierfür ist, wie schnell
sie die Situation seit Abbruch der Gespräche hat eskalieren lassen.
Auch wenn beide Seiten weit voneinander entfernt sind, hat die
Gewerkschaft unmittelbar nach dem Ende der selbst gesetzten Frist die
Verschärfung des Arbeitskampfes verkündet. Und auf eine lange
Streiterei können sich die Arbeitgeber nicht einlassen – sie haben zu
viel zu verlieren.

Knackpunkte sind dabei nicht die Lohnforderung oder die
Flexibilisierung der Arbeitszeit an sich. Die positive Lage vieler
Unternehmen muss auch bei den Belegschaften ankommen. Die Forderung
nach einer Verkürzung der Arbeitszeit für bestimmte Gruppe sollte mit
dem Wunsch der Arbeitgeber einhergehen, dass andere Gruppen, die
länger arbeiten wollen, das auch dürfen. Knackpunkt ist die Forderung
der IG Metall nach einem teilweisen Lohnausgleich für Mitarbeiter in
besonderen Lebenssituationen. Diese Forderung verweisen die
Arbeitgeber in den Verantwortungsbereich des Staates – zu Recht.

Wenn die IG Metall ihre Stärke also ausspielt, sollte sie das für
höhere Löhne und angemessenere Arbeitszeiten tun. Beharrt sie
ultimativ auf dem teilweisen Lohnausgleich, werden die Arbeitgeber
nicht einlenken – und der Arbeitskampf wird sich weiter verschärfen.

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