Schwäbische Zeitung: Kommentar: Staat muss hart bleiben

Nach Würzburg hungern sie in der Münchener
Innenstadt: Asylbewerber, die ihre Anerkennung beantragt haben und
nicht länger warten wollen. Es gibt dramatische Bilder fürs
Fernsehen, wenn einer der Hungerstreikenden zusammenbricht und ins
Krankenhaus gefahren wird. Doch was die Hungerstreikenden wollen –
die sofortige Anerkennung als politisch Verfolgte – kann ihnen der
Staat nicht geben.

Die Anerkennung als politisch Verfolgter kann aber nicht erpresst
werden, sondern nur am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens stehen
– oder eben auch nicht. Wenn sich der Staat auf Rechtsbruch einließe,
könnten sich nächste Woche Steuerzahler auf den Marktplatz stellen
und drohen, solange nichts mehr zu sich zu nehmen, bis ihre
Steuerschulden erlassen sind. Hartz-IV-Empfänger könnten so lange
Nahrung verweigern, bis ihre Bezüge verdoppelt werden. Insassen von
Justizvollzugsanstalten könnten sich „freihungern“. Nebenbei: Was
soll man den Asylbewerbern sagen, die ihr Verfahren abwarten, wenn
andere ohne weitere Prüfung anerkannt werden?

Bessere Unterbringungsbedingungen und kürzere
Anerkennungsverfahren zu fordern, wäre legitim. Die Verletzung von
Rechtsnormen zu verlangen, aber nicht. Darauf kann und darf sich ein
Rechtsstaat nicht einlassen.

Die Bundesrepublik ist allerdings nicht nur ein Rechtsstaat,
sondern auch der Menschenwürde und Humanität verpflichtet.
Asylbewerbern, die sich in einen lebensbedrohlichen Zustand gehungert
haben, muss daher geholfen werden – notfalls auch gegen deren Willen.

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