Wladimir Putin bedient alle Klischees. Er
gefällt sich dabei, den Kriegsherrn zu geben, den Gebieter über ein
riesiges Reich, den gestrengen Wahrer russischer Interessen. Mit
zusammengebissenen Lippen verwahrt er sich gegen westliche Kritik, er
schaltet auf stur oder schmollt. Mancher Beobachter, der noch die
Sowjetunion erlebte, fragt sich, wer eigentlich undurchschaubarer
war: Leonid Breschnew oder Wladimir Putin.
Niemand will einen Krieg. Vermutlich auch Putin nicht. Aber sein
Auftreten lässt fragen, ob da nicht post-sowjetische Traumata und
hegemoniales Streben eine unheilvolle Verbindung eingehen. Russland
hatte nie eine bürgerliche Revolution, die eine kritische
Zivilgesellschaft hervorgebracht hätte; die Sowjetunion ist im
Zweiten Weltkrieg von Deutschland angegriffen worden; nach dem
Mauerfall und Moskaus Zustimmung zur deutschen Einheit musste
Russland mit ansehen, wie frühere Trabanten wie Polen oder Tschechien
flugs in der Nato Aufnahme fanden. Dieser Schmerz einer ehemaligen
Weltmacht sitzt tief.
Aber all das rechtfertigt keine Invasion auf der Krim oder im
Osten der Ukraine. Wie unterschiedlich man die Dinge sehen kann: Der
Westen erkennt eine Revolution in Kiew, Putin spricht von einem
Putsch. Der Westen sieht auf der Krim einen Verstoß gegen das
Völkerrecht, der russische UN-Botschafter dagegen erklärt, man habe
Soldaten geschickt, weil der gestürzte ukrainische Präsident
Janukowitsch darum ersucht habe. Das ist die Logik, mit der die
Niederschlagung des Prager Frühlings oder der sowjetische Einmarsch
in Afghanistan gerechtfertigt wurden.
Natürlich muss mit der russischen Führung geredet werden. Nicht
mit anteilnehmendem Verständnis, sondern mit Nachdruck. Der Westen
wird den Druck auf Putin aufrecht erhalten und Russlands
Zivilgesellschaft stärken müssen.
Denn der Verlierer des derzeitigen Konfliktes auf der Halbinsel
Krim dürfte sonst nicht nur die Ukraine sein, sondern auch Russland.
Und Wladimir Putin.
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