Schwäbische Zeitung: Leichtfertiger Obama – Leitartikel

Nun bittet Präsident Barack Obama den
US-Kongress um dessen Zustimmung zum Angriff auf Syrien. Damit
gewinnt er etwas Zeit, aber an Raketen auf Damaskus wird das nach dem
gegenwärtigen Stand der Dinge nichts ändern. Was zunächst wie die
taktisch kluge Absicherung eines zögerlichen Staatschefs wirken mag,
ist vor allem amerikanische Innenpolitik. Außenpolitisch stellt
Obamas Erklärung am Samstagabend eine Brüskierung der Vereinten
Nationen und der Weltgemeinschaft dar.

Der Präsident, der kurz nach seiner Amtsübernahme und –
zugegebenermaßen – gegen seinen Willen, mit dem Friedensnobelpreis
ausgezeichnet wurde, überlässt es nicht den Inspektoren der UN
herauszufinden, ob und von wem chemische Waffen gegen zwei Damaszener
Stadtteile eingesetzt wurden. Sie selber, die USA, hätten die
Beweise, sagt er. Nun hat unser Vertrauen in die amerikanische
Dienste in der Vergangenheit nachhaltig gelitten. Amerikanische
Geheimdienste hatten bereits vor zehn Jahren vermeintliche Beweise
über Massenvernichtungswaffen im Irak präsentiert. Amerikanische
Geheimdienste lesen, so wissen wir seit kurzem, weltumspannend unsere
Emails. Sie wissen also in der Summe viel mehr als wir alle. Aber ob
sie darum klüger sind oder gar Recht haben?

Nun wird also in den nächsten Tagen der Kongress vermutlich seine
Zustimmung zum Angriff auf das syrische Regime geben. Für die
Mehrheit dieser Kongressabgeordneten ist Syrien so weit weg wie
Oberschwaben. Die Folgen eines Angriffs – als da wären
Flüchtlingsströme, eine Gefährdung unserer Verbündeten Israel und
Türkei – wären in Europa viel deutlicher zu spüren als in den USA.
Distanz kann eben auch zur Leichtfertigkeit verleiten.

Der frühere UN-Untergeneralsekretär Klaus Töpfer hat es bei seinem
Besuch der Schwäbischen Zeitung auf den Punkt gebracht: die Bilder
aus Damaskus sind erschütternd, aber die Zeit muss bleiben, den
Bericht der UN-Inspektoren abzuwarten. Schon aus Respekt vor der
Gemeinschaft der Nationen.

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