Die deutschen Katholiken fordern viel von ihrer
Kirche. Bescheiden im Auftreten soll sie sein. Sie soll Einfluss auf
die Politik nehmen und sich für die Schwächsten einsetzen. Sie soll
die Seelen der Menschen bewegen, twittern, endlich eine Frauenquote
einführen, sich aber bitte nicht wie ein Konzern verhalten. Sie soll
mit der Zeit gehen, dabei aber nicht ihren Markenkern verlieren. So
oder ähnlich wurde es auf dem 99. Katholikentag mehrfach formuliert.
Trotz mancher Widersprüche: In Regensburg konnte über all diese
und noch weitere Themen diskutiert werden – ohne Tabus und
Denkverbote. Dabei versprach kein Bischof das Blaue vom Himmel. Und
ein interessantes Gespräch hat nicht zwangsläufig Veränderungen zur
Folge. Doch die meisten Vertreter der sogenannten Amtskirche in
Deutschland haben sich offen für die Nöte vieler Katholiken in
Deutschland gezeigt. Das ist gut so, denn viele Sorgen betreffen
einen Bereich, der elementar für die katholische Kirche ist: die
Familie.
Von einer Organisation, die für Veränderungen zuweilen
Jahrhunderte benötigt, kann man kaum erwarten, dass sie von heute auf
morgen die Priesterweihe für Frauen einführt. Aber sie muss für die
Gläubigen da sein. Das bedeutet auch, die Realität, in der sie leben,
anzuerkennen. Ein Beispiel: Junge Katholiken verlassen sich häufig
auf ihr Gewissen und nicht auf die Lehren der Kirche – etwa wenn es
um Sex vor der Ehe geht. Darüber darf die katholische Kirche traurig
sein. Aber: Der Glaube dieser Menschen definiert sich gewiss nicht
allein über diese eine Frage.
Zudem: Die Kritik an der Kirche, die auf dem Katholikentag
formuliert wurde, ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit, die Joachim
Gauck in Regensburg so scharf verurteilt hat. Die katholische Kirche
sollte genau hinhören: Denn hinter vermeintlichen Reizthemen stecken
häufig verständliche Wünsche der Gläubigen. Muss eine zweite Ehe
wirklich bis ans Lebensende den Ausschluss von den Sakramenten
bedeuten? Das Schmerzlichste daran ist doch, dass es gerade die
gläubigsten Katholiken sind, die davon am härtesten getroffen werden.
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