Diese Schuldenkrise ist so ungeheuerlich, weil
sie die westliche Wirtschaftsordnung in ihren Grundfesten
erschüttert. In nur drei Jahren wurden die Deutschen vieler
Gewissheiten beraubt, die drei Generationen lang bestanden: Vor der
Bankenkrise im Herbst 2008 galt jeder Staat Europas als
Top-Schuldner, die Währung der Deutschen als stabil und
Privateigentum als heilig. 2011 gilt davon nichts mehr. Staaten
stehen vor der Pleite, Banken werden verstaatlicht, der Euro siecht
dahin. Diese Krise lähmt die Regierungen, während die Menschen um ihr
Erspartes bangen.
In solch epochalen Krisen schlägt die Stunde großer Staatsmänner.
Gustav Stresemann war einer, als er in den 20er-Jahren der
Hyperinflation durch eine beherzte Währungsreform ein Ende setzte.
Helmut Schmidt war einer, als er sich in den 70er-Jahren dem Terror
der RAF nicht beugte. Helmut Kohl war einer, als er in einem
diplomatischen Parforceritt die Einheit auf den Weg brachte. Angela
Merkel ist bisher den Beweis schuldig geblieben, eine große Kanzlerin
zu sein. Sie hat die Krise nicht genutzt, um die Deutschen durch
entschlossenes Auftreten und mutiges Handeln hinter sich zu scharen.
Das Gefeilsche beim wichtigsten Gipfel ihrer Amtszeit zeigt: Die
Kanzlerin hat keinen Kompass für die Krise. Merkels irrlichternder
Kurs verstört auch Deutschlands Partner im Ausland, die zu Recht
erwarten, dass die Kanzlerin endlich führt. In Brüssel macht das
geflügelte Wort die Runde, Frau Merkel brauche noch etwas Zeit. Die
„New York Times“ fragt besorgt: „Wacht Merkel rechtzeitig auf?“
Die mageren Ergebnisse des Treffens am Wochenende stimmen nicht
hoffnungsfroh, dass der Befreiungsschlag gelingt. Eine Chance besteht
aber noch: Beim Folgegipfel Mitte dieser Woche müssen wegweisende
Lösungen her, selbst wenn sie uns teuer zu stehen kommen. Denn die
Deutschen wissen sehr wohl um die Bedeutung des Euro und sind zu
Opfern bereit, um den Kontinent vor dem Rückfall in die
Kleinstaaterei zu bewahren.
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