Schwäbische Zeitung: Man schleppt sich so dahin – Leitartikel

Das hatte man sich alles ganz anders
vorgestellt: Als heute vor zwei Jahren die schwarz-gelbe Koalition
besiegelt wurde, glaubten viele an den Beginn einer in jedem Sinne
„gut bürgerlichen“ Koalition, die die Wirtschaft voranbringt und
solide Arbeit leistet. Doch die Erwartungen trogen. Die
wirtschaftliche Lage ist zwar gut, doch die Stimmung miserabel.

Schnell stellte sich heraus, dass die Liberalen nicht aufs
Regieren vorbereitet waren, dass der Koalitionsvertrag im Hinblick
auf die erhoffte gute Zusammenarbeit zu viel Raum zur Interpretation
ließ, und dass dieser Regierung schlicht die große Überschrift fehlt.
Eigentlich gab es nur eine, und die hieß: Mehr Netto vom Brutto.
Darauf warten viele heute noch. Eine Entlastung zu Beginn der
Legislaturperiode wurde durch den Mehrwertsteuererlass für Hoteliers
diskreditiert.

Liberale und FDP liegen nun seit genau zwei Jahren im Clinch, und
es wird nicht dadurch besser, dass Horst Seehofer in Bayern die
Liberalen gerne wieder los wäre und ohnehin nervös ist wegen der
neuen Konkurrenz durch Christian Ude. Die Regierungsmannschaft
entpuppte sich von Anfang an als eine Truppe von Solotänzern, die
sich gegenseitig misstrauisch beäugen. Eine innenpolitisch nicht an
einem Strang ziehende Koalition aber tut sich auch außenpolitisch
schwer, wie sich in der Euro-Krise zeigt. Auch hier regiert das
Misstrauen. Die FDP muss in ihrem eigenen Laden für ihren Europakurs
per Mitgliederentscheid streiten. Im Parlament fühlen sich selbst die
Abgeordneten der Regierungskoalition bisweilen überfahren, sie wollen
Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble möglichst genaue
Handlungsanweisungen mit auf den Weg nach Brüssel geben. Das
funktioniert nur bedingt, weil in Europa eben sehr viel mehr Länder
mitreden, und Angela Merkel erst jetzt langsam beginnt, wirklich das
Zepter an sich zu reißen. Hat sie hier Erfolg, dann allerdings wird
einmal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die schlechte
erste Halbzeit keine Rolle mehr spielen.

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