Dass es besser sei, miteinander zu reden als
übereinander, hat die Bundeskanzlerin vor ihrer Reise nach Washington
gesagt. Wie anders das klingt als das mädchenhafte Gehabe der
britischen Regierungschefin Theresa May, die sich Tage nach der
Amtseinführung von Donald Trump an der Hand durch das Weiße Haus
hatte führen lassen. Die Bundeskanzlerin hat in Washington
demonstriert, dass sie auch die mächtigsten Männer auf Abstand zu
halten in der Lage ist.
Wladimir Putin mag hinter verschlossenen Kreml-Türen über sie
spotten, er hört der Bundeskanzlerin immerhin zu. Italiens damaliger
Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat erfahren müssen, dass Merkels
Beharrlichkeit stärker wiegt als irgendwelche Kaspereien. Selbst
George W. Bush hat 2006 bei einem G-8-Gipfel in Sankt Petersburg
Merkels freundliche Bestimmtheit kennengelernt: Als er vor laufenden
Kameras die Schultern der sitzenden Merkel massierte, stand er da wie
ein kleiner Junge, der beim Übergriff auf die Klassensprecherin
ertappt wurde.
Solche Stimmungen und Äußerlichkeiten sind auch in der Politik
sehr oft bedeutsamer als die Fernsehbilder glauben machen. Ob die
Chemie zwischen zwei Menschen stimmt, kann auf Ebene der
Regierungschefs über Börsenkurse, gemeinsame Ziele oder zukünftige
Feindschaften entscheiden. Die Bundeskanzlerin wird sich darum sehr
genau beraten und überlegt haben, wie sie mit einem Präsidenten
umgeht, dessen verbale Übergriffigkeit sie schnell in Verlegenheit
bringen und die transatlantischen Beziehungen gefährden könnte.
Trotz aller Unkenrufe nach der Wahl Trumps wird das
transatlantische Verhältnis weiterbestehen, nicht zuletzt, weil
Merkel auch gegenüber Trump nicht von ihrer Verbindlichkeit
abzurücken bereit ist. Die Beharrlichkeit und Authentizität einer
Politik der ruhigen Hand erweist sich als dauerhafter als großmaulige
Sprunghaftigkeit. Wenn Donald Trump das – zumindest unterbewusst –
verstanden haben sollte, hat sich Merkels Reise über den Großen Teich
gelohnt.
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