Schwäbische Zeitung: Neuanfang mit einem Europäer

Der Wirtschaftsnobelpreis für Jean Tirole
dürfte viele Europäer erfreuen. Der Franzose widmet sich Fragen, die
hierzulande etliche junge Ökonomen beschäftigen. Tirole erforscht,
wie sich die Macht von Konzernen begrenzen lässt. Er interessiert
sich für die globale Erwärmung. Und er berücksichtigt auch
Erkenntnisse der Psychologie.

Glücklicherweise hat sich das Nobelpreiskomitee dieses Mal
eindeutig festgelegt und der Öffentlichkeit einen Eiertanz wie 2013
erspart. Damals wurden zwei US-Ökonomen mit völlig entgegengesetzten
Positionen geehrt – ein unwürdiger Kompromiss, der den Nobelpreis der
Lächerlichkeit preisgab. Die Auszeichnung Tiroles dagegen ist
bemerkenswert. Erstmals seit 15 Jahren gehen die Amerikaner leer aus.
US-Forscher tun sich gerade besonders schwer, die Zeitenwende in der
Wirtschaftswissenschaft zu akzeptieren. Das Weltbild vieler
angelsächsisch geprägter Volkswirte ist in der Finanzkrise
zusammengebrochen. Ihr Glaube an die Überlegenheit entfesselter
Märkte ist erschüttert, ihnen fehlt derzeit der Kompass.

Schon beim Treffen der Nobelpreisträger im Sommer in Lindau
deutete sich an, dass es den Wirtschaftswissenschaftlern ernst ist
mit einem Neuanfang. Die Würdigung von Tiroles Werk belegt, dass die
verkrustete Volkswirtschaftslehre aus Fehlern gelernt hat und wieder
facettenreich wird.

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