Schwäbische Zeitung: Nicht nur Staaten klauen Daten – Leitartikel

Wer hätte gedacht, dass Bürgerrechte zu einem
Wahlkampfthema werden könnten? Die Internetspionage der USA und auch
der Briten hat solche Ausmaße, dass selbst wenig an Politik
Interessierte hellhörig werden. Denn es geht nicht, wie behauptet, um
die Terrorbekämpfung, es geht um Industriespionage zugunsten des
eigenen Landes, zulasten von Unternehmen, die in befreundeten Staaten
Innovationen vorantreiben. Es geht um die knallharte
Interessenvertretung der eigenen Seite.

Wirtschaftlich wie politisch: Unterschiede zu den Zeiten des
Kalten Krieges zwischen dem Westen und dem Ostblock gibt es nicht.
Und bei einer solchen Gemengelage drohen Bürgerrechte verloren zu
gehen. Letztendlich wird – und das nicht erst seit gestern – der
elementare Schutz der Menschenwürde infrage gestellt. Mit dieser
These hat sich der frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum an seine
FDP gewandt. Die Liberalen müssten deshalb den Datenschutz zu ihrem
Thema machen. Die kleine Partei ist gut beraten, ihrem alten Kämpen
zu folgen.

Die Herausforderungen sind enorm für diejenigen, die die
Privatsphäre des Einzelnen schützen wollen. Es gleicht einer
Lachnummer, wenn deutsche Geheimdienste so tun, als wüssten sie
nichts von den Aktivitäten der angelsächsischen Sicherheitsdienste.
Es ist zu hinterfragen, warum EU und USA seit über einem Jahrzehnt
einen regen Datenaustausch betreiben, obwohl die
US-Datenschutz-Bestimmungen vergleichsweise mickrig sind.

Doch grundsätzlich bedarf es hierzulande einer neuen
Positionsbestimmung. Denn es sind nicht nur Staaten, die ungeniert
Datenklau betreiben. Private Unternehmen greifen ab, was abzugreifen
ist, und treffen dabei auf Menschen, die geradezu fahrlässig mit
ihren Daten umgehen. Was wurde noch 1987 gegen eine Volkszählung
polemisiert und demonstriert. Damals ging es um die Wohnsituation der
Deutschen, und das Bundesverfassungsgericht sprach den Bürgern das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu. Das Urteil gilt. Auch
heute.

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