Schwäbische Zeitung: Noch keine Rechtssicherheit

Bekomme ich mal die dünnen Haare von Mama oder
den dicken Schopf von Papa? Werde ich einmal groß und schlank oder
doch eher klein und mollig? Von kleinauf vergleichen sich Kinder mit
ihren Eltern, spiegeln sich in ihnen, sehen es mit Freude oder auch
mit Schrecken, wenn sie deren Eigenschaften bei sich selbst
entdecken. Wer den großen Frust später vermeiden will, sollte es
seinem Kind also möglichst früh sagen, wenn sein Papa nicht der
leibliche Vater ist. Eltern setzen sich sonst dem Verdacht aus, ihr
Kind mit einer Lebenslüge großgezogen zu haben. Ohnehin ist es für
die Kleinen leichter, die Realität als Normalität hinzunehmen als für
pubertätsgebeutelte Jugendliche. Insofern ist das Urteil des
Bundesgerichtshof, das „Spenderkindern“ einen grundsätzlichen
Anspruch auf den Namen ihres biologischen Vaters einräumt, zu
begrüßen.

Allerdings bringt diese Entscheidung nicht die Rechtssicherheit,
die allen Beteiligten – Kindern, Eltern, Ärzten und Spendern – zu
wünschen wäre. Der Hinweis, dass es bislang keinen Fall gegeben habe,
in dem ein Samenspender auf Unterhalt verklagt oder Erbansprüche
gegen ihn geltend gemacht wurden, mag ihn vielleicht beruhigen. Doch
der Gesetzgeber muss sich dennoch den Vorwurf gefallen lassen, sich
zwar um ethische Fragen der künstlichen Befruchtung gekümmert zu
haben, aber nicht um alltagsrelevante Folgen. Samenspenden sind
längst kein Tabu mehr. Und wer auf die vielfältigen Lebensmodelle
heutzutage schaut, sieht die Dringlichkeit einer gesetzlichen
Regelung.

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