Vier von fünf Deutschen lehnen Sanktionen gegen
Wladimir Putins Russland ab. Die Geschichte lehrt tatsächlich, dass
ein Boykott in aller Regel nur jenen schadet, denen er doch helfen
sollte: Saddam Hussein im Irak hat unter den Sanktionen weniger
gelitten als seine unterdrückten Untertanen. Und der Boykott der
Olympischen Spiele 1980 in Moskau strafte die Sportler aus West und
Ost, weniger die sowjetischen Funktionäre, die beschlossen hatten, in
Afghanistan einzumarschieren.
Doch die jetzt in Brüssel auf den Weg gebrachten Sanktionen
versprechen anders zu sein – vor allem, weil die Politik gelernt hat.
Es wirkt schon mutig, wenn die Staats- und Regierungschefs kurz vor
der Europawahl etwas beschließen, was die Mehrheit der Europäer
ablehnt. Zunächst werden bestimmte Politiker und Wirtschaftsbosse,
die als Unterstützer Putins gelten, nicht mehr an ihre Bankguthaben
in der EU kommen. Viele von ihnen und ihre Familien werden nicht mehr
ohne weiteres in die EU reisen können. Zwar ist zu befürchten, dass
diese Vertreter der Nomenklatura dann in Zukunft in die Schweiz
reisen und dort ihr Geld bunkern. Trotzdem, wenn die Kinder der
Putin-Entourage nicht mehr in Paris und London studieren dürfen,
könnte der Druck auf den russischen Präsidenten zunehmen.
Putin agiert mit Härte. Er versteht allein entschlossene
Reaktionen. Diese Sanktionen sind eine spürbare Reaktion auf seine
Politik, die er wahrnehmen wird. Deutsche Unternehmen, gerade
mittelständische, fürchten nun um ihre Investitionen. Sie sorgen sich
um die Niederlassungen und Werke in Russland. Und die Übernahmen
westlicher Firmen durch russische Oligarchen oder auch die russischen
Schulden im Westen, sind spätestens jetzt als problematisch zu
betrachten.
Die Furcht vor Wladimir Putins Reaktion auf Sanktionen ist sicher
berechtigt. Die mangelnde Rechtssicherheit in seinem Land verstärkt
noch das Gefühl des Westens, russischer Willkür ausgesetzt zu sein.
Gerade darum braucht es fein abgestimmte Sanktionen.
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