Es wirkt seit einigen Tagen, als sei es nie
anders gewesen: der Satz vom „Wir schaffen das“ wird nicht mehr
zitiert, es wird einmal über anderes als nur über Flüchtlinge
gesprochen. Die Popularitätswerte der Bundeskanzlerin steigen wieder.
Derweil wurden von der griechischen Insel Lesbos Flüchtlinge in die
Türkei abgeschoben, und einige wenige Syrer von dort nach Hannover
geflogen. Dabei ist dieser Zustand wohl nur eine Zwischenphase, eine
für Politik wie Gesellschaft unverhoffte Verschnaufpause.
Einiges ist in den vergangenen Monaten geschafft worden, aber
nichts ist wirklich vollbracht. Es wird über eine Zentralisierung der
Asylverfahren in der EU diskutiert und die Bundesregierung erzeugt
den Eindruck, die Kontrolle sei wiederhergestellt. Das ist vorderhand
sicher so. Doch die flugs vom Bundesinnenminister dementierte
Nachricht, dass mehrere Hunderttausend Flüchtlinge in Deutschland
ohne Registrierung leben sollen, schafft sogleich wieder neue Ängste
in der Bevölkerung. In Libyen sollen nach vorsichtigen Schätzungen
Hunderttausende Flüchtlinge auf eine Gelegenheit warten, aus dem vom
Islamischen Staat drangsalierten Land nach Europa überzusetzen.
Und auch in Berlin weiß man, dass das Abkommen der EU mit der
Türkei nur eine Zwischenlösung ist. Wie geht es weiter, wenn die
versprochenen 72000 Flüchtlinge in der EU aufgenommen wurden? Und wie
wird Europa mit jenen umgehen, die nicht mehr über die Türkei
fliehen, sondern über Ägypten und Libyen? Nicht alle, die da in
Bengasi oder Tripolis auf einen Platz in einem Schlauchboot sparen,
werden sich von der Nachricht abhalten lassen, dass eine Flucht nach
Europa auch mit der Abschiebung enden kann. Gewöhnen wir uns daran,
dass Politik und Gesellschaft in Europa meist nur reagieren können,
auf sich schnell wandelnde Bedingungen in den Herkunfts- und
Transitländern. Eine Zwischenphase in der Flüchtlingspolitik folgt
auf die nächste, kein Zustand ist permanent. Das Thema Flüchtlinge
macht gerade nur ein paar Tage Pause.
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