Die Verärgerung der Ungarn über ihren
Ministerpräsidenten scheint zuzunehmen, aber sie ist keinesfalls so
ausgeprägt, dass er den Rückhalt in der Bevölkerung verloren hätte.
Wären heute Wahlen, Viktor Orban und sein Fidesz könnten erneut mit
einer Mehrheit rechnen. Das liegt an den wenig überzeugenden
Oppositionsparteien, aber auch daran, dass Orbans Spiel auf der
national-konservativen Klaviatur eben sehr vielen Ungarn aus dem
Herzen spricht.
Sein politischer Werdegang ist nicht frei von Brüchen. Als
Jugendlicher Mitglied im kommunistischen Nachwuchsverband, in den
Jahren vor der Wende charismatischer und mutiger Studentenführer
gegen das Regime, dann liberaler Jungpolitiker im Jugendverband der
Freien Demokraten – und jetzt ein zunehmend autoritärer
Nationalkonservativer, der ein System der „nicht liberalen
Demokratie“ anstrebt. Orbans Anlehnung an Putin, an diktatorische
frühere Sowjetrepubliken, an China nährt den Verdacht, dass sich
dieser Mann verrannt hat. Die Fülle der Macht, mit der ihn die Ungarn
ausgestattet haben, bekommt ihm nicht gut – und dem Land auch nicht.
Auf dem Weg nach Moskau werden ihm seine Bürger dauerhaft kaum
folgen.
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