Schwäbische Zeitung: Richtig, aber ärgerlich – Leitartikel zu Österreich

Die Richter konnten gar nicht anders. Die
Entscheidung, das Ergebnis der Präsidenten-Stichwahl in Österreich zu
kippen, ist richtig. Mag ja sein, dass es keine ernst zu nehmenden
Versuche gab, das Ergebnis zu fälschen. Aber auch Unregelmäßigkeiten
und Schludrigkeiten, die es im Zweifelsfall in der Alpenrepublik
schon seit Jahren gibt, dürfen nicht toleriert werden. Der
demokratische Staat muss über jeden Zweifel erhaben sein, Grauzonen
für Vorbehalte und Verdächtigungen darf es nicht geben. Mit dieser
Wahl hat sich die Republik Österreich international lächerlich
gemacht.

Nun sind Rechtsprechung und Politik zwei verschiedene Welten.
Dennoch ist es schlichtweg ärgerlich, dass die rechte FPÖ, die sich
gerne in der Opferrolle suhlt, erfolgreich gegen eine Auszählung
klagt, für die auch die FPÖ-Wahlbeisitzer in den
Auszählungskommissionen Verantwortung tragen.

Nach Großbritanniens historischer Brexit-Entscheidung wird Europa
im Herbst also erneut nach Österreich blicken. Ähnlich wie die Briten
waren die Österreicher bei der Präsidentenwahl in fast gleich große
Lager gespalten und auch bei der Entscheidung über das künftige
Staatsoberhaupt spielten antieuropäische Ressentiments eine
erhebliche Rolle. Die FPÖ kokettiert seit Jahren mit einem Öxit,
einem Austritt Österreichs aus der EU.

Vielleicht wirkt das politische Chaos, das die europafeindlichen
Demagogen in Großbritannien angerichtet haben, nun bei der
Wiederholung des Urnengangs abschreckend. Vielleicht überdenken vor
diesem Hintergrund die Besonneneren unter den Zornigen ihr Votum für
den Rechtsaußen Norbert Hofer. Und vielleicht gelingt es den Parteien
der Mitte jetzt besser und überzeugender, die österreichischen Wähler
von den Vorzügen der Europäischen Union zu überzeugen. Österreich hat
von ihr profitiert und wird weiter von ihr profitieren. Jetzt steht
das Land wieder vor einem Wahlkampf, der polarisierender nicht sein
könnte. Felix Austria (glückliches Österreich) sieht anders aus.

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