Schwäbische Zeitung: Schluss mit dem Populismus – Leitartikel

Der Komiker Jan Böhmermann hat die Mechanismen
der Debatte über die Griechenland-Krise entlarvt. Hat seine
ZDF-Redaktion tatsächlich ein Video gefälscht, dass den griechischen
Finanzminister Gianis Varoufakis bei einem Vortrag zeigen soll, bei
dem er den Deutschen den Mittelfinger hinstreckt? Jenen kurzen Film,
den ARD-Moderator Günther Jauch bereits am Sonntag in seiner Sendung
zeigte und den Varoufakis selbst als Fälschung bezeichnet?

Die Antwort auf diese Frage ist unwichtig. Wichtig ist, dass
Böhmermann eine Maschinerie enttarnt hat, die vor allem mit Emotionen
und Empörung funktioniert. Befeuert wird sie von deutschen Politikern
und Medien ebenso wie von deren griechischen Pendants. Da geht es
seit Wochen vor allem darum, wer vermeintlich wen persönlich
beleidigt hat. Da bedienen beide Seiten Stereotype über rechtschaffen
wirtschaftende Deutsche und faulenzende Griechen.

Etwa Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), der
Reparationsforderungen der griechischen Regierung harsch zurückweist,
sie auffordert „sich mal mit ihrer Hausaufgabe zu beschäftigen“ und
nicht woanders Schuldige zu suchen.

Oder Varoufakis, der sich bei Jauch einmal mehr als Kämpfer für
die Kleinen inszenierte und Europas Forderungen an Griechenland schon
mal mit Folter verglich. Einfach anmutende Lösungen für komplexe
Probleme zu präsentieren und Ressentiments zu schüren: Das ist
Populismus – und der ist gefährlich. Das Ringen um Europas Stabilität
gerät in der politischen und medialen Inszenierung zu einem Duell
zweier Nationen, ausgefochten von profilierten Protagonisten.

Politiker sollten sich ebenso wie Journalisten vor solchen
Vereinfachungen hüten. Sie müssen sich die Mühe machen, eine
komplizierter werdende Welt immer wieder zu erklären. Das ist nicht
so unterhaltsam wie ein „Stinkefinger“-Video, aber das einzige
Mittel, den Zulauf zu Populisten am rechten wie am linken Rand des
politischen Spektrums zu bremsen.

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