Schwäbische Zeitung: Seehofer macht den Pofalla – Leitartikel

Im Sommer des vergangenen Jahres musste der
damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla kräftig Häme einstecken,
nachdem er handstreichartig die Spionageaffäre um den amerikanischen
Geheimdienst NSA für beendet erklärt hatte. Der Vorwurf der
millionenfachen Grundrechtsverletzung sei vom Tisch, sagte Pofalla
damals. Basta. Das Internet reagierte mit beißendem Spott und ließ
den Kanzleramtsminister unter der Überschrift „Pofalla beendet Dinge“
alles Mögliche und Unmögliche ad acta legen: den Bau des Berliner
Flughafens, das schlechte Wetter, das iranische Atomprogramm. Nun
macht Horst Seehofer den Pofalla.

In der „Bild am Sonntag“ hat der bayerische Ministerpräsident die
Mautdebatte für beendet erklärt. Der Streit sei beigelegt. Die Maut
komme. Er sei sehr zufrieden. Basta. In Wahrheit ist das Drama um die
Maut auf deutschen Straßen aber in keiner Weise zu Ende. Im
Gegenteil: Offenbar schreibt Verkehrsminister Alexander Dobrindt
bereits am nächsten Akt. Um Bedenken aus Grenzregionen – unter
anderem aus Baden-Württemberg und Bayern – Rechnung zu tragen, soll
die Pkw-Maut nun zwar für alle Straßen eingeführt, aber nur auf
Autobahnen und Bundestraßen auch tatsächlich erhoben werden. Die
zunehmend verzweifelten Versuche, das von Anfang an unhaltbare
CSU-Wahlversprechen einer Maut für Ausländer irgendwie in
Gesetzesform zu gießen, nehmen groteske Formen an – und verstellen
den Blick auf die Tatsache, dass an einer Abgabe für die
Instandhaltung des deutschen Straßennetzes gar kein Weg vorbeiführt.

Im deutschen Fernstraßennetz gibt es allein so viele marode
Brücken, dass niemand weiß, wo mit dem Sanieren begonnen werden soll.
Geschweige denn, wie die sündhaft teuren Sanierungen eigentlich
bezahlt werden sollen. Künftig wird es deshalb nur über einen Obulus
gehen, den dann all jene bezahlen müssen, die über die
bundesrepublikanischen Fernstraßen fahren. Die ausländischen
Autofahrer. Und die inländischen. Sogar Horst Seehofer und Ronald
Pofalla.

Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de