Schwäbische Zeitung: SPD muss sich entscheiden – Leitartikel

Wen interessiert schon, wer Thüringen regiert?
Doch halt, wenn am kommenden Wochenende in Erfurt die Regierung neu
gewählt wird, könnten Weichen gestellt werden. Es kann zwar sein,
dass CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht mit der SPD
weiterregiert. Doch es könnte auch ganz anders kommen. Ein roter
Ministerpräsident, unterstützt von SPD und vielleicht auch den
Grünen, ist nicht mehr ausgeschlossen.

Genau 20 Jahre ist es her, dass CDU-Generalsekretär Peter Hintze
mit seiner sogenannten Rote-Socken-Kampagne den Ekel gegen Links
schürte. Eine Generation später sind die SED-Nachfolger immer noch
auf der politischen Bühne. Ihre Wähler im Osten der Republik sind
zuverlässig. Die SPD kann nicht länger darauf hoffen, wieder die
Alleinvertretung für das linke Lager zu bekommen. Deshalb steht sie
jetzt vor einer strategischen Entscheidung: Rot-Rot-Grün ist aus
derzeitiger Sicht die einzige Option für die Bundestagswahl 2017,
wenn sie wieder an die Regierung will. Doch ein solches Bündnis muss
vorbereitet werden.

Die SPD hat ihr kategorisches Nein bereits aufgegeben, doch ob sie
erstmals wirklich einen linken Ministerpräsidenten stützen wird, ist
ungewiss. Gerade bei der derzeitigen außenpolitischen Lage ist eine
Koalition mit den Linken im Bund kaum denkbar. Doch SPD-Chef Sigmar
Gabriel muss über neue Partner nachdenken, zumal die Grünen zwar mit
dem Herzen bei der SPD, mit dem Verstand aber schon in Richtung
Schwarz-Grün unterwegs sind.

Gabriel peilt derzeit ein anderes Ziel an. Er will die Wähler der
Mitte abholen. Er hofft, die SPD in der Großen Koalition doch noch zu
profilieren. Warum die Partei derzeit in der Wählergunst wie ein
Bleiklumpen festliegt, obwohl sie in der Koalition eine deutliche
Handschrift hat, weiß niemand. Die Parteispitze ist eher ratlos. Ewig
zweites Rad, in den Ländern und im Bund, das kann nicht das Ziel der
SPD sein. Nach der Wahl werden die Karten neu gemischt. Am Ende aber
sollen ohnehin die SPD-Mitglieder in Thüringen das letzte Wort haben.
Das ist kein Fehler.

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