Nie wieder Krieg durch friedliche, gegenseitige
Abhängigkeit – das war der Urgedanke, aus dem die Europäische Union
und die Eurozone hervorgingen. Es ist eine gute Idee. Aber was ist
daraus geworden? Die gegenseitige Abhängigkeit ist da. Nur das
angestrebte solidarische Miteinander will sich nicht so recht
einstellen.
Die Klagen gegen den europäischen Rettungsschirm ESM zeugen von
dem Unbehagen, das viele Bundesbürger befällt, wenn sie an die
Abermilliarden Euro denken, die die Bundesregierung bereitstellen
soll. Und zwar dem ESM, einer demokratisch höchst fragwürdig
legitimierten Institution, die nach weiteren Fantastilliarden zu
gieren scheint. Da sollte doch wenigstens der demokratisch sehr wohl
legitimierte Bundestag noch ein entscheidendes Wörtchen mitreden
können. Obwohl das Bundesverfassungsgericht die Klagen, die dies
forderten, abgewiesen hat, hat es die Bundesregierung in die Pflicht
genommen: Sie muss mögliche Zahlungen an den ESM im Haushalt
einplanen. So kann es nicht zu dem befürchteten Fall kommen, bei dem
der ESM-Gouverneursrat über die Köpfe der Bundestagsabgeordneten
hinweg entscheidet.
Doch das Unbehagen bleibt – zu Recht. Denn das Demokratiedefizit
ist einer der Geburtsfehler der Europäischen Union. Dieses Problem
kann das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht beheben. Zudem wurde
die Solidargemeinschaft der Eurozone missbraucht. Durch die
Vermischung der Euroschuldenkrise mit der Wirtschafts- und
Finanzkrise wurden bereits mehrere Hundert Milliarden Euro in
unvernünftig und verantwortungslos wirtschaftende Bankhäuser gesteckt
– ja, auch in deutsche. Statt die europäische Bevölkerung und ihre
Staaten solidarisch vor der Pleite zu retten, wurden
unwirtschaftliche Privatinstitute subventioniert.
EZB-Chef Mario Draghi hatte mit seinem unbegrenzten
Anleihenkaufprogramm teuer Zeit erkauft, in der die Euroländer eine
vernünftige Lösung hätten finden sollen. Herausgekommen ist der ESM –
ein Kompromiss, der nichts ändert.
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