Schwäbische Zeitung: Über Schweizer Grenzen hinaus – Leitartikel

Einst galt die Schweiz als Paradies für
Potentaten, die ihre Länder unterjochten und ihr kriminell erworbenes
Vermögen dann höchst profitabel in Zürich oder Genf vermehrten. Im
Land selber herrschte jahrzehntelang Konsens, dass dieses
zweifelhafte Geschäftsmodell zu der Schweiz gehörte wie Heidi oder
das Matterhorn. Doch in den vergangenen Jahren hat sich wegen der
Finanzkrise und den international zu bestaunenden Manager-Exzessen
der Wind gedreht. Vom Bankgeheimnis haben sich die Eidgenossen
getrennt, Steuerhinterziehern werden derzeit die Konten gekündigt,
Abfindungszahlungen für unfähige Manager wurden verboten. Das Volk
gegen Abzockerei, hieß einer der Slogans, und es scheint munter
weiter zu gehen.

Am morgigen Sonntag werden die Bürger darüber entscheiden, ob hohe
Managergehälter gedeckelt werden sollen. Weitere Abstimmungen ganz
nach dem Gusto linker Staatsgläubigkeit sind geplant: Mindestlöhne
sollen her, Erbschaften besteuert und Renten massiv erhöht werden.
Die Schweiz auf dem Weg zu einem Bündnis mit Nicaragua, Kuba oder
Venezuela?

Gemach, gemach: Einer wirtschaftlichen Analyse halten die
Forderungen nicht stand, und anders als etwa beim hoch emotionalen
Minarett-Verbot werden die meisten Schweizer beim Blick in den
Geldbeutel schnell sehr rational.

Dennoch sollte die Abstimmung über die Managergehälter weit über
die Schweizer Grenzen hinaus ernst genommen werden. Es gibt eben
nicht nur beim kleinen Nachbarn, sondern fast überall ein großes
Unbehagen gegenüber den vermeintlichen Eliten, seien es die
Wirtschaftskapitäne oder die Politiker. Je nach Mentalität wird die
Kritik anders laut. In Brasilien oder der Türkei demonstrierten
Hunderttausende, in der Schweiz geht man indessen in Ruhe an die
Wahlurne. Vertrauen ist ein wertvolles Gut, und es ist vielfach
zerstört worden. Anstatt sich nun über linke Träumer zu echauffieren,
sollte darüber nachgedacht werden, warum diese überhaupt auf Resonanz
stoßen.

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