Schwäbische Zeitung: Und schon kommt die Südbahn – Leitartikel

Freunden des Kaugummigenusses ist das Phänomen
bekannt: Nach einer gewissen Zeit schmeckt das Teil nicht mehr – weil
es nach nichts mehr schmeckt. Für gewisse politische Themen gilt dies
in ähnlicher Weise: Die Bürger haben es irgendwann satt, wenn ihnen
jahre- und jahrzehntelang etwas vorgekaut wird, ohne dass eine
Entscheidung fällt. Die Elektrifizierung der Südbahn fällt in diese
Kategorie. Nicht einmal der Kalauer: Es ist alles gesagt, nur noch
nicht von allen, passt hier. Alle haben längst alles im Überfluss
hin- und herdiskutiert. Aber jetzt – oh Wunder! – kann der Kaugummi
Südbahn offensichtlich entsorgt und zwischen zwei Aktendeckel geklebt
werden.

Die vorliegende schriftliche Finanzierungszusage des
Bundesverkehrsministeriums sollte auch einen Parteienstreit beenden,
der im Landtagswahlkampf und im Zusammenhang mit Stuttgart 21 keine
geringe Rolle gespielt hat. Die S-21-Gegner hatten ins Feld geführt,
dass die angeblich sinnlosen Milliarden für das Großprojekt kein Geld
mehr übrig ließen für sehr sinnvolle Vorhaben wie eben die
Südbahn-Elektrifizierung. Die S-21-Befürworter hatten dagegen
argumentiert, der neue Stuttgarter Großbahnhof erzwinge geradezu
einen elektrischen Betrieb der Südbahn, weil in Stuttgart nämlich
keine Dieselloks mehr einfahren könnten. Um es vorsichtig zu
formulieren: Die Gegner haben nicht Recht behalten.

Und jetzt? Jetzt werden sich Schwarze, Rote, Grüne und Gelbe mit
der einen Hand auf die Schulter klopfen, und mit der anderen
versuchen, dem politischen Gegner noch eins auszuwischen. Gehört zum
Geschäft – ist nicht weiter von Belang. Wichtig ist, dass zwischen
Stuttgart und Bodensee die Verkehrsinfrastruktur teilweise im 21.
Jahrhundert ankommen wird. Wie gesagt: teilweise. Es gibt da nämlich
noch die Bundesstraßen 30 und 31 mit den ausstehenden
Ortsumfahrungen. Und es gibt in der Region eine Vielzahl weiterer
drängender Straßenbauprojekte – inklusive schlaglochgespickter
Landesstraßen.

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