Schwäbische Zeitung: Verantwortung übernehmen – Leitartikel

Das politische Erdbeben in Baden-Württemberg war
die Landtagswahl vor einem Jahr. Dennoch steht heute immer noch jeder
Stein auf dem anderen. Dem Land geht es nach dem Wahlsieg von
Grün-Rot gut. Winfried Kretschmann kann zufrieden auf die vergangenen
zwölf Monate zurückblicken. Selbst die für ihn als Grünen-Politiker
bittere Stuttgart-21-Niederlage konnte er als Ministerpräsident in
einen Sieg ummünzen. Mit dem Hinweis auf klare Mehrheiten vermochte
er im landesväterlichen Stil den Konflikt zu entschärfen, ja
vielleicht sogar zu befrieden.

Für die CDU ist Kretschmann somit ein gefährlicher Gegner. Viele
sehen ihn mit seinem Naturell, seinem Auftreten und seinem Eintreten
für eine wirklichkeitsnahe Politik als Bruder im Geiste von Erwin
Teufel. Der gläubige Katholik Kretschmann verbindet glaubwürdig
Ökonomie mit Ökologie. Sich auf einen solchen Gegner in einem
konservativ geprägten Land einzustellen, ist enorm schwierig. Vor
allem, wenn man 58 Jahre lang den Ministerpräsidenten stellte und den
Verlust der Macht noch immer nicht verwunden hat.

Mit 39 Prozent ist die Union mit großem Abstand die stärkste
Partei und trägt damit auch weiterhin Gesamtverantwortung für
Baden-Württemberg. Die CDU muss die Oppositionsrolle annehmen und die
Auseinandersetzung mit der Regierung führen. Sie muss für sich eine
Perspektive in dieser Verantwortung erkennen. Gerade für unsere
Region ist das wichtig, siehe Verkehrsanbindungen, siehe
Polizeipräsidien, siehe Energiewende.

Winfried Kretschmann lässt erkennen, dass ihm die heutige
Opposition keine schlaflosen Nächte bereitet, dass er sich nicht
allzu große Sorgen macht. Doch die Zeit des Anfangs, dem ein Zauber
innewohnte, ist vorbei. Die Ankündigung von Grün-Rot, neue Schulden
aufnehmen zu müssen, beschreibt die Achillesferse der Regierung
Kretschmann. Das laute Sinnieren über Steuererhöhung gehört dazu. Für
eine gut aufgestellte Opposition sind das Steilvorlagen.

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