Schwäbische Zeitung: Vergleichen, aber bitte richtig – Leitartikel

Abitur ist nicht gleich Abitur. Das ist unter
Bildungsforschern schon seit Jahren unbestritten. Die Unterschiede
zwischen den einzelnen Bundesländern in ihren Anforderungen an
Abiturienten sind nach wie vor erheblich – und das allen Versuchen
der Vergangenheit zur Standardisierung zum Trotz. Alles in allem eine
beklagenswerte Situation.

Die Leistungsniveaus nach der Schullaufbahn differieren deshalb
erheblich. Ein Mathematiktest für Abiturienten in Baden-Württemberg
und Hamburg hat zum Beispiel ergeben, dass die Schüler in der
Hansestadt teilweise ein bis zwei Jahre Rückstand auf ihre
Altersgenossen im Südwesten hatten. Höchst unterschiedlich ist es je
nach Bundesland auch, zu welchem Anteil die schriftlichen Prüfungen
in die Abiturnote eingehen.

Gerecht ist dieses System schon lange nicht mehr. Nur die
wenigsten Hochschulen und Fakultäten setzen auf Eignungstests für
Studienbewerber. Die Abiturnote entscheidet. Denn den Ausschlag gibt
bei der Hochschulzulassung zumeist der Numerus Clausus.
Bildungschancen und Karrierewege hängen somit zu einem nicht zu
unterschätzenden Teil vom Wohnort ab. Das führt zu ungleich
verteilten Chancen und jeder Menge Frust bei angehenden Akademikern.
Werbung für den deutschen Bildungsföderalismus sieht wahrlich anders
aus.

Gut, dass jetzt eine Gruppe renommierter Bildungsforscher abermals
den Anstoß für eine Debatte um die Vergleichbarkeit des Abiturs gibt.
Rätselhaft bleibt aber, warum die Experten ein Modell ins Spiel
bringen, bei dem nur zehn Prozent der späteren Abiturnote auf
bundesweit einheitliche Prüfungen zurückzuführen sind.

Wenn schon Vergleichbarkeit, dann bitte richtig! Mit ein bisschen
Zentralabitur wäre Deutschlands angehenden Akademikern schließlich
nicht geholfen. Die Frage einer wirklich vergleichbaren Reifeprüfung
wird jetzt zum Testfall für die Reformfähigkeit des
Bildungsföderalismus.

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