Es ist Zufall: Genau zum Einjährigen der Großen
Koalition bringt ein Mann das Regierungsbündnis erheblich in
Schwierigkeiten, von dem alle gehofft hatten, dass er längst zum
Phantom geworden ist.
Oder zumindest, dass er keine große Rolle mehr spielt: Sebastian
Edathy. Doch der Ex-SPD-Abgeordnete schämt sich nicht im geheimen
Kämmerlein, sondern tritt in dieser Woche auf die große politische
Bühne in Berlin und wehrt sich.
Es ist und bleibt eine unappetitliche Affäre, zumal sich Edathy
bis heute nicht entschuldigt oder irgendeine Form der Reue zeigt.
Edathy hat, das ist unbestritten, Fotos nackter Minderjähriger aus
Kanada bestellt, doch als die Polizei danach fahndete, waren die
Festplatten gelöscht oder entfernt, Edathys Laptop angeblich
gestohlen worden. Nicht nur Kriminalbeamte hielten es für sehr
wahrscheinlich, dass er gewarnt wurde.
Die CSU hat über diese Affäre ihren ehemaligen Innenminister
verloren. Hans-Peter Friedrich musste gehen, weil er im Zuge der
Koalitionsverhandlungen aus falsch verstandenem Anstand die
SPD-Spitze informiert hatte, was der heutige SPD-Fraktionschef
Oppermann öffentlich machte. Es sind also noch einige alte Rechnungen
offen, wenn es darum geht, von wem Edathy informiert worden sein
könnte. Er sagt, vom SPD-Innenexperten Michael Hartmann, dieser
bestreitet das.
Diese schwelende Affäre belastet die Koalition weit mehr als die
Frage der unsinnigen Maut. Denn die CSU dringt jetzt natürlich
darauf, auch in der SPD Schuldige auszumachen. Das könnte Thomas
Oppermann in Bedrängnis bringen.
Noch schlimmer aber ist in Zeiten, in denen sich
Politikverdrossenheit in Riesen-Demonstrationen auf der Straße Luft
schafft, dass in der Edathy-Affäre der Eindruck haften bleiben
könnte, dass für die Politik Sonderregeln gelten. Das verstärkt den
Unmut jener Menschen, die solche Vorurteile pflegen. Das ist das
verhängnisvollste an der Edathy-Affäre. Denn Politik ist in der Regel
nicht unappetitlich, sondern notwendig – und oft sogar hilfreich.
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