Schwäbische Zeitung: Vorübergehend stürmisch – Leitartikel

Dieses Jahr ist alles etwas anders. Das
gewöhnliche große Kräftemessen bei den Klausuren der Parteien zum
Jahresauftakt paart sich mit den Anfängen der neuen Regierung in
Berlin. CDU-Generalsekretär Peter Tauber vergleicht die Klausuren und
starken Worte mit dem Wiegen vor dem Boxkampf. Kein Wunder also, dass
es etwas holpert. Es gibt die ersten gegenseitigen Ordnungsrufe, die
Sozialdemokraten sind wenig entzückt über die Mindestlohn-Ausnahmen,
welche die CSU fordert. Die CDU ist mit SPD-Justizminister Heiko Maas
unzufrieden, der sich mit der Vorratsdatenspeicherung Zeit lassen
will. Doch gegenüber den Turbulenzen beim Start der schwarz-gelben
Vorgängerregierung sind dies geradezu laue Lüftchen.

Und Kreuth? Die CSU ist wieder einmal mit kräftigen Forderungen in
die Schlagzeilen gekommen. Sie rechnet es sich als Erfolg an, dass
jetzt darüber gesprochen wird, dass Migranten unrechtmäßig die
deutschen Sozialsysteme abschöpfen. Und da bei der Kreuther Klausur
die Schlagzeilen immer schon wichtiger waren als das, was an
konkreter Politik daraus erfolgt, kann man sagen: Ziel erreicht. Die
CSU verkauft sich als Impulsgeber deutscher Politik.

Bei einem anderen Thema aber hat sich Parteichef Horst Seehofer
verkalkuliert. Es hat ihn wohl selbst erschreckt, welche Schlagzeilen
seine Differenzen mit Kronprinzessin Ilse Aigner in der
Energiedebatte lieferten. Seehofer hat die Diskussion in Kreuth
einfangen müssen, denn er weiß am besten, dass die Devise jetzt
lauten muss, die CSU kurz vor den bayerischen Kommunalwahlen als
geschlossene Formation auftreten zu lassen.

Längst mischt sich bei vielen in die große Zufriedenheit über den
Erfolg ihrer Partei auch ein gewisses Unbehagen über den
innerparteilichen Absolutismus von „König Horst“. Die Klausur in
Kreuth hat zumindest Horst Seehofer in diesem Jahr eher geschadet als
genützt. Die von ihm verordnete Harmonie aber wird in den nächsten
Monaten eingehalten werden – schon um des weiteren Erfolgs willen.

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