Studie der Otto Brenner Stiftung zur Lage der FDP vor ihrem Bundesparteitag

+++ Otto Brenner Stiftung analysiert Potenziale und Probleme der FDP
+++ nach Rückkehr in den Bundestag: fragile Führung, politische
Profilierungsdefizite, konfligierende Wählergruppen +++
Kommunikationsstrategie zwischen Erneuerung und Beharrung +++
Defensivrolle im Parlament +++ unklare Perspektiven +++

Obwohl der FDP im Herbst 2017 ein überraschendes Comeback in den
Bundestag gelungen ist, steht sie zukünftig, so die Prognose in einer
neuen Studie der Otto Brenner Stiftung, „vor gegensätzlichen
Erwartungen und komplexen Herausforderungen“. Der Bundesparteitag am
kommenden Wochenende in Berlin werde die Bühne für die
innerparteiliche Diskussion dieser Fragen bieten, vermutet
Studienautor Michael Freckmann.

Mit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag im Herbst 2013 schien die
Freie Demokratische Partei (FDP) für viele Beobachter am Ende zu
sein. Der Partei brachen Einnahmen weg, sie verlor Personal und ihre
gesamte Führung; sie war programmatisch entkernt und galt als
überflüssig. Wichtige Wählergruppen wandten sich von ihr ab. In der
Öffentlichkeit litt die FDP an einem schlechten Image – als Folge
des Verlustes von politischer Glaubwürdigkeit, elitärer Attitüde und
Profillosigkeit. Für die Medien hatte die „ewige Regierungspartei“
kaum noch Bedeutung, im Parteienwettbewerb drohten die Liberalen
marginalisiert zu werden.

Und dennoch: Bei der Bundestagswahl 2017 gelang der FDP ein
politisches Comeback. Wie konnte ihr der Wiederaufstieg gelingen?
Inwieweit hat sich die Partei und ihr programmatisches und
kommunikatives Profil verändert? Und nicht zuletzt: Welche Rolle kann
die FDP nach dem von ihr herbeigeführten Ende von „Jamaika“ im
Parteienwettbewerb und Parlament noch einnehmen? Die in Kooperation
mit dem Göttinger Institut für Demokratieforschung durchgeführte
Studie der Otto Brenner Stiftung liefert zu diesen Fragen aktuelle
Ergebnisse, wichtige Erkenntnisse und interessante Perspektiven.

Die OBS-Studie untersucht u.a. die Führungs- und Parteistruktur, die
durch eine personelle und strukturelle Zentralisierung auf die Person
Lindner geprägt ist. Dies gilt besonders für Außenwahrnehmung und
Wählerintegration, die Lindner über verschiedene Facetten seiner
Person gelang. Dennoch fehlen der FDP konstruktiv rivalisierende
Zentren mit profilierten Akteuren. Seit der einigende Außendruck der
Krise wegfällt, drohen innerparteiliche Fliehkräfte die Stabilität
der Partei zu gefährden, so ein zentraler Befund der Studie, die vor
dem Parteitag der FDP veröffentlicht wird.

Inhaltlich konnte die FDP seit der Bundestagswahl 2013 über eine
Modernisierung ihrer traditionellen Kerninhalte in der
Wirtschaftspolitik und einer Hinzunahme einzelner neuer Themen wie
Bildungs- und Digitalisierungsaspekten ein Alleinstellungsmerkmal im
Parteienwettbewerb erringen, stellt die Studie fest. Die
„Flüchtlingskrise“ eröffnete der FDP die Chance, sich zwischen Union
und Grünen zu positionieren und auf diese Weise einen Teil des
bürgerlichen Protests zu kanalisieren. Hierbei profitierte sie vom
Abrücken der Union von einem wirtschaftsliberalen Profil, der
Rechtsentwicklung der AfD und dem Verschwinden der Piratenpartei.
Günstige Rahmenbedingung zur Neuaufstellung boten Landtagswahlkämpfe
in für die FDP wichtigen Landesverbänden oder mit prägenden
Spitzenkandidaten wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und
Schleswig-Holstein.

In der programmatischen Entwicklung, so Studienautor Michael
Freckmann, hat die FDP wenig Spielraum. Als rechtsbürgerliche Partei
könnte sie zwar theoretisch enttäuschte bürgerliche Wähler vom
Wechsel von der Union zur AfD abhalten. Ein solcher Kurs birgt aber
die unkalkulierbare Gefahr einer Radikalisierungsspirale. Aber auch
die politische Prägung eines Großteils ihres aktuellen
Führungspersonals als auch vieler jüngerer neuer FDP-Wähler
„blockiert eine stärkere Rechtsentwicklung der Liberalen“,
schlussfolgert Studienautor Freckmann und ergänzt, dass das freilich
auch für eine „stärkere Orientierung in den sozialliberalen Bereich“
gelte.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass auf der kommunikativen Ebene
die größte Erneuerung der Partei stattgefunden hat. Hier versuchte
die FPD, sämtliche Negativimages zu widerlegen. Dabei forcierte sie
die sprachlichen Bilder des „Fortschritts“, der
„Zukunftsorientierung“, des „sozialen Aufstiegs“ und eines
positiveren Bildes des Staates. Begleitet wurde dies durch eine im
Vergleich zu 2013 „deutlich veränderte Rhetorik“. Diese neu
aufgebauten Narrative wurden durch den Abbruch der
Jamaika-Verhandlungen jedoch massiv beschädigt. Zu diesem
Glaubwürdigkeitsdefizit kommt hinzu, so OBS-Geschäftsführer Legrand,
dass es für die FDP in einem enger und komplexer angelegten
Parteienwettbewerb „immer schwieriger wird, nachhaltig Aufmerksamkeit
zu erringen.“ Überdies stehen die durch ihre Maximalrhetorik im
Wahlkampf geweckten Erwartungen ihrer Wähler, ergänzt Legrand, „in
Konflikt zur parlamentarischen Detailarbeit, die einer
Oppositionspartei kaum Erfolge zeitigt“.

Die Mobilisierung hin zur FDP bleibt deshalb, so ein weiterer Befund
der OBS-Studie von Michael Freckmann, „eine anspruchsvolle Aufgabe“:
Zwar mobilisierte sie zuletzt vermehrt jüngere, aber sonst klassisch
liberale Wählergruppen. „Aber“, so der Wissenschaftler vom Göttinger
Institut für Demokratieforschung, „besonders Frauen, Ostdeutsche und
sozial Schwächere sind in der FDP-Wählerschaft und unter den
Parteimitgliedern unterrepräsentiert“. Zudem gebe es in ihrer
Wählerschaft Konfliktpotential zwischen Modernisierungsbefürwortern
und -skeptikern, was eine dauerhafte Stabilisierung der Partei bei
Wahlen schwierig macht.

Lindners FDP. Profil – Strategie – Perspektiven, Michael Freckmann,
Otto Brenner Stiftung, Arbeitspapier 29, Frankfurt am Main, Mai 2018
(http://ow.ly/ZVBa30jN9Qs)

Pressekontakt:
Jupp Legrand
OBS-Geschäftsführer
Tel.: 069-6693-2810
E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de

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