Die Kaltmamsell lebt noch
Einer der zähesten Tarifkonflikte der Vergangenheit hat zumindest
in Baden-Württemberg eine Einigung gebracht. Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter im Einzelhandel bekommen, auf zwei Jahre gestreckt, gut
fünf Prozent mehr Geld. Das ist ihnen zu gönnen, es ist in
wirtschaftlich auskömmlichen Zeiten angemessen und überfordert die
Branche kostenmäßig keineswegs. Aber um Lohnprozente ging es
vorrangig auch gar nicht. Die Arbeitgeber hatten den
Manteltarifvertrag, der die Strukturen regelt, gekündigt, weil sich
die Gewerkschaft Verdi weigerte, darüber zu verhandeln. Dieser
Vertrag ist zum Teil Jahrzehnte alt. In ihm gibt es Berufe aus einer
längst vergangenen Welt: Kaltmamsell, Pelznäher oder den adrett
gekleideten Fahrstuhlführer im KaDeWe-Warenhaus. Kein Witz! Anders
als etwa die Metallindustrie unterscheidet der Handel noch zwischen
Angestellten und Arbeitern. Er bezahlt bisweilen die angelernte
Kassiererin besser als die ausgebildete Verkäuferin. Und fürs
Regaleinräumen bedarf es keiner besonderen Kompetenz. Die Arbeitgeber
haben den alten Vertrag wieder in Kraft gesetzt – mit flexibleren
Elementen und der Zusicherung von Verdi, einen zeitgemäßen
Manteltarif nächstes Jahr in Angriff zu nehmen. So haben beide Seiten
gewonnen. Geeint hat sie das gemeinsame Interesse am
Flächentarifvertrag. Der Kern des Streits kommt auf Wiedervorlage.
Dann wird es der Kaltmamsell – tariflich – an den Kragen gehen.
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