Südwest Presse: Kommentar: Flüchtlinge

KOMMENTAR · FLÜCHTLINGE

Fragwürdiger Abwehrkampf Die EU-Innenminister rüsten zum
Abwehrkampf: Flüchtlinge aus Nordafrika wollen sie nicht haben. Soll
Italien schauen, wo es bleibt. „Gefordert, aber nicht überfordert“
sei der südliche EU-Staat, sagt Innenminister de Maizière. Er hat
Recht – allerdings nur für den Augenblick. Bisher kommen tatsächlich
nur relativ wenige Bootsflüchtlinge nach Italien. Die Zahlen
rechtfertigen das Geschrei des Innenministers Maroni von einer
Fluchtwelle biblischen Ausmaßes nicht. Noch nicht. Maroni schürt
Panik. Das schadet. Mit Übertreibungen fördert er Abwehr, wo
Solidarität nötig ist.Denn die Diskussionsgrundlage in der EU kann
sich täglich ändern. Sollten tatsächlich Hunderttausende vor Unruhen
und Bürgerkrieg übers Meer fliehen, wird das sture Abblocken à la de
Maizière nicht zu halten sein. Wer um Leib und Leben fürchtet, muss
in der EU Aufnahme finden. Einzelne EU-Staaten können dies nicht
schultern. Die Union muss handeln mit einer gerechten Verteilung der
Flüchtlinge. Investitionszusagen für Nordafrika oder die Aufstockung
der Frontex-Grenzschutzpolizei reichen nicht. Die Bremser der selbst
ernannten Wertegemeinschaft werden mitziehen müssen. Sonst drohen sie
das wegen ihrer Zögerlichkeit bereits beschädigte Ansehen des Westens
in der arabischen Welt ganz zu ramponieren. Man kann nicht folgenlos
Diktatoren hofieren und deren geschundenes Volk mit Frontex-Schiffen
ins offene Meer abdrängen.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
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